Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

13 
Schaaren von armen Gefangenen wurden von den wilden Reitern 
erbarmungslos durch die Moräste gepeitscht. Endlich gelang es dem 
Kaiser Ludwig, der die Vormundschaft über seinen Sohn führte, in 
Gemeinschaft mit dem brandenburgischen Volke die Räuber aus dem 
Lande zu jagen; aber von den 6000 Unglücklichen, die als Selaven 
in die litthauischen Wälder geschleppt waren, hat Keiner seine Heimath 
wiedergesehen. 
9. Der falsche Waldemar. 
1348. 
Unter dem Markgrafen Ludwig aus dem bayerschen Hause hatte 
die Mark nur trübe Tage. Zu Krieg, Brand und hohen Steuern 
kam noch der Bannfluch des Papstes, der schwer auf dem unglücklichen 
Lande lastete. Wie sehnte sich da das Volk nach der glücklichen Zeit 
unter der glorreichen Regierung des Markgrafen Waldemar zurück! 
Seltsamerweise schien der Himmel seine Sehnsucht erfüllen zu wollen, 
denn plötzlich scholl die Kunde durchs Land, Waldemar lebe noch. 
Und im Frühlinge des Jahres 1348, als Markgraf Ludwig im 
Tyrolerland auf der Gemsenjagd war, erschien zu Wolmirstädt vor der 
Burg des Erzbischofs von Magdeburg ein Pilgersmann und ließ 
sagen, er habe dem Erzbischofe etwas Wichtiges mitzutheilen. Dieser 
saß gerade mit vielen Gästen zu Tische, denn er feierte ein Fest. 
Als die Diener dem Pilger das sagten, sprach er: „Könnt ihr mich 
nicht zu eurem Herrn führen, so bittet für mich um einen Becher 
Weins!“ Als sie den Trank brachten, that der Pilger einen kräftigen 
Zug aus dem Becher, ließ dann einen Siegelring mit fürstlichem 
Wappen hineinfallen und bat, daß man den Becher dem Erzbischof 
bringe. Der hatte kaum den Ring gesehen, als er rief: „Das ist 
Markgraf Waldemars Ring!“ — Deß verwunderten sich die Gäste 
über die Maaßen; aber der Erzbischof hieß den Pilgersmann in das 
Zimmer führen und forschte von ihm, wer er wäre. Der war nicht 
befangen, wie sonst wohl Pilgersleute sind in vornehmer Gesellschaft; 
sein Auge ließ er ruhig über die Versammlung schweifen, und obgleich 
sein Haar schon ergraut war, trat er doch fest und sicher auf. Endlich 
sprach er: „Ich bin Markgraf Waldemar. Ich bin nicht gestorben, 
wie man bisher geglaubt hat. Man hat vor 29 Jahren einen andern
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.