Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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13. Das Wunderblut zu Wilsnack. 
1383. 
In einer blutigen Fehde zwischen dem Bischof von Havelberg 
und dem Ritter Heinrich von Bülow ging das Dorf Wilsnack in der 
Priegnitz in Flammen auf. Die Bewohner desselben flüchteten sich 
nach dem nahen Quitzhöfel. Als die Feinde die Gegend verlassen 
hatten, kehrten sie mit thränenden Blicken an den Ort der Zerstörung 
zurück. An ihrer Spitze befand sich der Ortsgeistliche. Mit schwerem 
Herzen blieb er vor der heiligen Stätte stehen. Ach, da lag sein 
Kirchlein, eine dampfende Ruine, rings umgeben von den rauchenden 
Schutthaufen der zerstörten Häuser. Die Morgensonne schien durch 
die ausgebrannten Fenster, und beleuchtete die schwarzen Mauern des 
Thurmes, von dem nun kein Glöcklein seine mahnende Stimme mehr 
erschallen ließ. Das Innere des heiligen Gebäudes, sonst so freundlich 
strahlend, war ein grauses Gewirr von schwarzen, rauchenden Balken. 
Dem Priester wollte das Herz brechen; ihm war zu Muthe, als stehe 
er bei der Leiche seines liebsten Freundes. Mit nassen Augen bahnte 
er sich einen Weg über Balken und Trümmer nach der Stelle des 
Altars. Der Sakristan, welcher gefolgt war, räumte einige Balken 
weg, und siehe, da stand der Altar unversehrt; denn er bestand aus 
Stein. Aber sein Schmuck, das Muttergottesbild mit den Zlerrathen, 
fehlte. Der Sakristan schafft den Schutt herunter, und mit Erstaunen 
bemerkt der Priester, daß auch die Altardecke nicht verbrannt ist. Er 
schüttelt sie aus und kann kaum einige Brandflecke daran entdecken. 
Das mußte ihm um so wunderbarer vorkommen, da er nicht wußte, 
daß der kalte Stein in solchen Fällen ein Schutzmittel gegen das 
Feuer abgeben kann. Auch ein Paar Leuchter findet der Sakristan im 
Schutte, und stellt sie auf den Altar, der indeß wieder mit der Decke 
bekleidet worden ist. Dann geht er zu einem Behältniß, das sich 
hinter dem Altar in der Mauer befand und eine eiserne Thür hatte. 
Dort wurden immer einige geweihte Hostien in einer Büchse für solche 
Kranke aufbewahrt, die plötzlich das Abendmahl begehrten. Auch zwei 
Wachslichte fanden sich daselbst für einen solchen Fall. Alles war 
unversehrt. Der Diener bringt die Büchse, in eine kleine Decke gehüllt, 
und die Lichte dem Pfarrer, der indeß den Altar geordnet hat. In 
andächtige Gedanken versunken, steht er da und betrachtet das heilige
	        
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