Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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Wörtemberg, dem kurz zuvor der Kurfürstentitel beigelegt worden war, 
erhielten zugleich mit bedeutender Vergrößerung ihrer Länder den Kö- 
nigstitel. Napoleon stand auf dem höchsten Gipfel seiner Macht. 
218. Friedrich Wilhelm III. 
(1797—1840.) 
Friedrich Wilhelm III. erblickte das Licht der Welt am 3. August 
1770 zu Potsdam. Mit herzlichen Freudenthränen begrüßte der große 
Friedrich die Geburt des einstigen Erben seines Thrones. Bald wurde 
der kleine Prinz der Liebling seines Großoheims. Oft ergötzte sich 
der kinderlose Greis an den Spielen des muntern Knaben. Einft 
spielte dieser in dem Arbeitszimmer des Königs mit dem Balle. Der 
Ball fiel mehreremals auf Friedrichs Schreibtisch. Dieser warf ihn 
ruhig immer wieder zurück. Endlich wurde es ihm doch zu arg, und 
er steckte ihn in die Tasche. Der Prinz bat einmal und noch einmal 
um die Zurückgabe. Vergebens. Da trat er keck vor den König hin 
und sprach: „Wollen Eure Majestät mir den Ball wiedergeben oder nicht?“ 
Lächelnd zog Friedrich den Ball aus der Tasche und sprach: „Brav, mein 
Sohn, ich denke, sie werden dir Schlesien gewiß nicht wieder nehmen.“ 
Der erste Erzieher des Kronprinzen, Geheimrath Behnsch, brachte 
demselben ein treues Pflichtgefühl, Fleiß und Ordnungsllebe, aber durch 
sein mürrisches Wesen eine gewisse Schüchternheit bei. Frühzeitig ent- 
wickelten sich in dem Knaben mannichfache Tugenden und fürstliche 
Eigenschaften; besonders waren es die Vorzüge des Gemüths, welche 
ihn von jeher auszeichneten: ächtes Wohlweollen, herzliche Nächstenliebe, 
wahre Demuth und Bescheidenheit, dabei ein lebendiges Gefühl für 
Ehre und Recht und ein hohes Bewußtsein von dem Beruf und den 
Pflichten der Fürsten. Häufig prüfte ihn der Großoheim in den Din- 
gen, die er gelernt hatte. So geschah es auch einmal bei einem 
Spaziergange, den beide im Garten zu Sanssouci machten. Es war 
kurz vor dem Tode des großen Königs. Da ließ Friedrich ihn aus 
einem französischen Buche übersetzen, und da es sehr geläufig ging, weil 
er die Stelle eben erst mit seinem Lehrer durchgenommen hatte, lobte 
ihn der König sehr. Als nun aber der Prinz ihm offen gestand, wes- 
halb die Uebersetzung so gut gegangen wäre, freute sich der König noch 
mehr, strich ihm die Wange und sagte: „So ist es recht, lieber Fritz, 
nur immer ehrlich und aufrichtig! Wolle nie scheinen, was du nicht 
bist; sei stets mehr, als du scheinst.“ Und weiter sprach Friedrich zu
	        
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