Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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239. Ein anderer Brief lautet: 
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. 
Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und 
in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich ruhig, und 
in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr 
sagen will, geistig glückselig. Es wird mir immer klarer, daß Alles so 
kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet 
unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung 
der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich selbst als 
abgestorben zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren 
riedrich's des Großen, der, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue 
eit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb über- 
flügelt sie uns. Das sieht Niemand klarer ein als der König. Noch 
eben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, und er sagte 
in sich gekehrt wiederholt: „Das muß auch bei uns anders werden. 
Auch das Beste und Ueberlegteste mißlingt, und der französische Kaiser 
ist wenigstens schlauer und listiger. Wenn die Russen und die Preußen 
tapfer, wie die Löwen, gefochten haben, müssen wir, wenn auch nicht 
besiegt, das Feld räumen, und der Feind bleibt im Vortheile. Von 
ihm können wir Vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er 
gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung zu sagen: Gott sei 
mit ihm! aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, 
um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außen- 
dingen fest verwachsen ist, zu begraben. Gewiß wird es besser werden 
in der Welt durch die Guten, deßhalb glaube ich auch nicht, daß der 
Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich 
glänzenden Throne ist. Fest und rubig ist nur allein Wahrheit und 
Gerechtigkeit, und er ist politisch, das heißt klug, und er richtet sich 
nach den Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei befleckt er 
seine Regirung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meinte es nicht redlich 
mit der guten Sache und mit den Menschen. Er in seinem ungemesse- 
nen Ehrgeize meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man 
muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem 
Glücke geblendet und meint Alles zu vermögen. Dabei ist er ohne 
Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht 
und fällt. Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Welt- 
ordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht, deßhalb bin
	        
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