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244. Ferdinand von Schill.
O Stralsund, du trauriges Stralsund,
In dir geht das tapferste Herz zu Grund!
E. M. Arndt.
Nach dem Frieden von Tilsit zog der Major von Schill mit sei-
nem Husarenregimente in Berlin ein. Seit zwei Jahren hatte die
Hauptstadt keine preußischen Truppen gesehen. Mit ungeheurem Jubel
wurde der tapfere Vertheidiger Kolbergs begrüßt. Die feurigsten Män-
ner, die entschlossensten Feinde Napoleons, schlossen sich ihm an; die
Herzen der patriotischen Frauen und Jungfrauen schlugen ihm in Be-
geisterung entgegen. Alle erblickten in ihm den Mann der Zukunft.
Da rief Oesterreich die deutschen Völker zum Kampfe auf gegen die
fremden Unterdrücker. Auch in Preußen glaubten Viele, die Stunde sei
gekommen, die Sklavenketten abzuschütteln. Der König aber hielt da-
für, daß diese Zeit noch nicht da sei; er schloß sich daher Oesterreich
nicht an. Der feurige Schill aber konnte nicht warten. Der Druck
der Fremdherrschaft war ihm unerträglich. Er beschloß daher, auf
eigne Faust einen Kampf mit Napoleon zu wagen. Mit dem Aus-
rufe: „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Endel!“
ritt er am 28. April 1809 mit seinem Husarenregimente zum Thore
hinaus. Jedermann meinte, er wolle draußen manöveriren. Als er
eine Meile von der Stadt entfernt war, ließ er halten und redete zu
seinen Husaren folgende Worte: „In die friedliche Gamison nach Ber-
lin zurückzukehren, das ist nicht mein Wille. Der Krieg gegen Napo-
leon bricht von Neuem aus. Oesterreichs Heere ziehen gegen ihn, da
dürfen wir nicht zurückbleiben; wir haben die Schlacht bei Jena und
den Frieden von Tilsit zu rächen. Zunächst werden wir in das König-
reich Westphalen einfallen und dadurch das Signal zur allgemeinen Erhe-
bung und zum Sturze der französischen Macht in Deutschland geben.
Wer mit mir kämpfen will für des Vaterlands Ehre und Freiheit, der
folge mir; wer sich aber davor scheut, der kehre ungekränkt zurück!“
Keiner aber wollte umkehren; Alle schwuren mit ihm zu leben und zu
sterben. Das preußische Volk jauchzte in freudiger Begeisterung auf,
als es von Schill's kühner That Kunde erhielt. Muthige Jünglinge
verließen heimlich das Vaterhaus, um unter dem gefeierten Helden die
Freiheit des Vaterlandes erkämpfen zu helfen. Preußens König mußte
freilich das Unternehmen Schill's Napoleon gegenüber mißbilligen. Schill
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