Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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36. Judenverfolgung in der Mark. 
Im Mittelalter waren die Juden oft heftigen Verfolgungen und 
Mißhandlungen ausgesetzt; unter der Regierung Joachims I. brach 
auch in den Marken großes Unheil über sie herein. Die Ifraeliten 
waren damals fast nirgends als wirkliche Staatsbürger betrachtet; sie 
wurden vielmehr nur ungern gegen ein von ihnen entrichtetes Schutz- 
geld geduldet. Nicht selten besaßen sie große Reichthümer, die sie durch 
ihre Betriebsamkeit, manchmal auch durch Schlauheit und Betrug er- 
worben hatten. Dadurch wußten sie sich den Fürsten und andern 
Großen nützlich zu machen. Dessenungeachtet vermochten diese nicht 
immer sie zu schützen. Zuweilen reizte gerade ihre Wohlhabenheit die 
Verfolgungswuth der Menge gegen sie auf. In den meisten Fällen 
wurden ihnen jedoch Verspottung christlicher Einrichtungen, Entweihung 
christlicher Heiligthümer, besonders geweihter Hostien, oder der Naub 
und die Ermordung von Christenkindern vorgeworfen. Eine ähnliche 
Veranlassung rief auch die Judenverfolgung unter Joachim hervor. 
Ein Kesselflicker aus Bernau, Namens Paul Fromm, hatte einen 
Kirchenraub verübt und eine Monstranz mit zwei geweihten Hostien ent- 
wendet. Er wurde gefänglich eingezogen und bekannte den Frevel. 
Als man ihn fragte, wo er die Hostien gelassen, erwiederte er, die eine 
habe er gegessen, die andere für neun Groschen an den Juden Salomon 
in Spandau verkauft. Salomon, der gleichfalls zur Haft gebracht 
wurde, sagte aus, die Hostie sei von ihm in drei Theile getheilt wor- 
den. Ein Stück habe er an den Juden Jakob in Brandenburg, das 
zweite an einen Juden in Stendal verkauft; das dritte habe er in 
Weizenmehl gelegt und daraus einen Kuchen gebacken. Der Teig 
aber sei blutroth geworden, und es habe sich in demselben unter 
wunderbarem Glanze ein Kindlein gezeigt. Darüber sei er in 
Angst und Schrecken gerathen und habe den Kuchen eilig in die 
Synagoge gebracht und dort aufgehängt. Als man darauf in der 
Synagoge nachforschte, fand man in der That einen rothen Kuchen. 
Die beiden Juden aus Brandenburg und Stendal wurden sogleich 
nach Berlin gebracht und alle Israeliten in der Mark verhaftet. Aus 
den Verhören ergab sich, daß noch vierzig andere Juden Theilchen 
der Hostie an sich gebracht hatten. Auch diese wurden mit in den 
Prozeß verwickelt. Die Untersuchung wurde, den Sitten der damaligen 
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