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nach beendigter Lehrzeit zum Wanderstabe greift und sich tüchtig
in der Welt umsieht, um sein fachliches Wissen und Können mög-
lichst allseitig und gründlich auszugestalten, so sollte auch der
angehende Landwirt gleichsam auf die Wanderschaft gehen, um
die landwirtschaftlichen Betriebe anderer Gegenden und Arbeit
und Sorge anderer Besitzer aus eigener Erfahrung kennen zu
lernen. Gewachsen an Wissen und Können würde der junge Bauer
dann auf den väterlichen Hof zurückkehren und mit reicher Er-
fahrung und auch gröfßerer Wertschätzung des Erbes seiner Eltern
würde er dann die eigene, ihm teure Scholle bauen, welche den um-
Sichtigen und einsichtigen Besitzer immer nährt. Die Erfahrung
lehrt, daß gerade im landwirtschaftlichen Betriebe alles auf Beispiel
und Vorbild ankommt. Grau ist hier erst recht alle Theorie, wenn
nicht des Lebens und der praktischen Tätigkeit stets grünender und
weiter wachsender Baum sie stützt. Wohltätige Neuerungen im
Ackerbau, lohnende Verbesserungen in der Viehzucht, weise Ein-
richtung und Führung des ländlichen Haushalts lernt der junge
Landwirt besser und leichter in fremder Wirtschaft als auf dem
eignen Hofe, wo die Gewohnheit und das Herkommen nur zu leicht
Auge und Ohrgegen Verbesserungen unempfänglich machen. Auch.
hier gilt das Wort Schillers: „Willst du dich selber erkennen, so
Sieh, wie die andern es treiben; willst du die andern verstehn,
blick' in dein eigenes Herz“. Ein nachahmenswerter Gebrauch hat
sich in Dänemark herausgebildet. Dort vermieten die bäuerlichen
Besitzer ihre Söhne und Töchter eine Zeit lang in gute herrschaft-
liche Wirtschaften als Gesinde. Die jungen Leute lernen auf diese
Weise eine rationelle Praxis in der Ackerbestellung, Düngung und
Pflege der Kulturen, in der Viehhaltung, in der Molkerei und allen
Verwandten Zweigen des landwirtschaftlichen Betriebes kennen.
Dort werden solche Bedienstete, welche den anderen Dienstboten
ein gutes Vorbild geben, wie die Freiwilligen der Armee vor den
anderen Soldaten, von der Herrschaft geschätzt und in solchem
Dienstverhältnis der Bauernsöhne und -2öchter sieht man eine
ehrende und wohltätige Einrichtung der ländlichen Bevölkerung.
Daß eine vorübergehende dienende Stellung der jungen Bauern-
töchter in fremden Familien zur Ausbildung der künftigen Haus-
frauen in allen Zweigen der Haushaltung und auch zur gesell-
schaftlichen Ausbildung von dem größten Nutzen ist, lehrt die
Erfahrung bereits auch bei uns. Es wäre nur zu wünschen, daß
diese Sitte noch allgemeiner würde und dafz auch die künftigen
Herren der bäuerlichen Besitzungen durch vorübergehenden
Dienst auf fremden Hôöfen Erfahrungen für ihren Beruf sammelten
und selbst die Leiden und Freuden des dienenden Standes an sich
erführen. „Der ist ein unbrauchbarer Ackersmann, der nicht be-
fehlen und nicht gehorchen kann“ und „wer nie Knecht gewesen,
kann auch kein guter Herr sein“.