Full text: Lesebuch für Landwirtschaftliche Winterschulen und ähnliche Anstalten im Königreich Bayern.

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Klasse eingerichtet; in einem Schranke seiner Wohnstube legt der Lehrer 
die erste Leihbibliothek an und der Buchhändler in der Stadt übergibt ihm 
neue Bücher zum Verkaufe. — So wird das Leben des starken Landwirts 
ein Segen für die Umgegend, für das ganze Land. 
Wehe aber dem Landwirte, dem der Grund unter den Füßen fremden 
Gewalten verfällt! Er ist verloren, wenn seine Arbeit nicht mehr ausreicht 
die Ansprüche zu befriedigen, welche andere Menschen an ihn machen. 
Die Geister der Natur gönnen ihren Segen nur dem, welcher ihnen frei 
und sicher gegenübersteht; sie empören sich, wo sie Schwäche, Eile und halben 
Mut ahnen. Keine Arbeit wird mehr zum Heil. Die gelbe Blüte der 
Olsaat und die blaue Blume des Flachses vertrocknen ohne Frucht; Rost 
und Brand fallen über das Getreide; in tödlichem Faulfieber schwindet 
der kleine Leib der Kartoffel; sie alle, so lange an Gehorsam gewöhnt, 
wissen so bitter jede Nachlässigkeit zu strafen. Dann wird für den Herrn 
der tägliche Gang durch die Felder ein täglicher Fluch; wenn die Lerche 
aus dem Roggen aufsteigt, muß er denken, daß die Frucht schon auf dem 
Halme verkauft ist; wenn das Gespann der Rinder den Klee nach den Ställen 
fährt, weiß er, daß der Ertrag von Milch und Fleisch schon von fremden 
Gläubigern gefordert ist, und er muß zweifeln, ob die Fruchtbarkeit, welche 
seinem Acker durch das Wiederkäuen der eßlustigen Tiere im nächsten Jahre 
kommen soll, noch ihm selbst zum Vorteil werden wird. Finster, mürrisch, 
verzweifelt kehrt er nach dem Hofe zurück. Leicht wird er dann seiner Wirt- 
schaft und den Feldern fremd; er sucht jenseit seiner Flur den lästigen Ge- 
danken zu entfliehen und durch die Flucht beschleunigt er seinen Untergang. 
Was ihn vielleicht noch retten könnte, ein vollständiges Hingeben an die Ar- 
beit, das wird ihm unerträglich. 
Und dreimal wehe dem Landwirte, der übereilt in unverständigem 
Gelüste die schwarze Kunst des Dampfes über seine Schollen führt um 
Kräfte aus ihm hervorzulocken, die nicht darin leben. Ihn trifft der härteste 
Fluch, der Sterblichen beschieden ist. Nicht er allein wird schwächer; er 
macht auch viele andere schlecht, die er zum Dienst an sein Leben gebunden 
hat. In dem Schwunge der Reäder, die er vorwitzig in seinem Kreis auf- 
stellte, wird zerrissen, was in seiner Wirtschaft noch unversehrt war; die 
Kraft seines Bodens verzehrt sich in fruchtlosen Versuchen; seine Gespanne 
erlahmen an schweren Fabrikfuhren; seine ehrlichen Landarbeiter verwandeln 
sich in ein schmutziges, hungerndes Proletariat. Wo sonst ruhiger Ge- 
horsam wenigstens das Nötige schuf, wuchert jetzt Hader, Widersetzlichkeit 
und Betrug. Er selbst ist hineingezogen in den Wirbel lästiger Geschäfte; 
wie brausende Wellen stürzen die Forderungen auf ihn herein; im verzweifel- 
ten Kampfe, ein Ertrinkender, sucht er ohne Wahl Hilfe bei allem, was 
in den Bereich seiner Hände kommt, und ermattet vom fruchtlosen Ringen 
sinkt er hinab in die Tiefe. « 
„Soll und Haben“ von Gustav Freytag.
	        
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