Full text: Verfassung und Grundgesetze des deutschen Reiches.

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XIII. Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen. 
Art. 74. Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, 
die Sicherheit oder die Verfassung des Deutschen Bundes, endlich 
die Beleidigung des Bundesratbes, des Reichstages, eines Mitgliedes des 
Bundesrathes oder des Reichstages, einer Behörde oder eines öffentlichen 
Beamten des Bundes, während dieselben in der Ausübung ihres Berufes 
begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort, Schrift, 
Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung, werden in den einzel- 
nen Bundesstaaten beurtheilt und bestraft nach Maßgabe der in den letz- 
teren bestehenden oder künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach 
welchen eine gleiche gegen den einzelnen Bundesstaat, seine Kammern 
oder Stände, seine Kammer= oder Stände-Mitglieder, seine Behörden 
und Beamten begangene Handlung zu richten wäre. 
Art. 75. Für diejenigen in Art. 74. bezeichneten Unternehmungen 
gegen den Deutschen Bund, welche, wenn gegen einen der einzelnen 
Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder Landesverrath zu gualifi- 
ziren wären, ist das gemeinschaftliche Ober-Appellationsgericht der drei 
freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster 
und letzter Instanz. 
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfah- 
ren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Bundesgesetz- 
gebung. Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes bewendet es bei der 
seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten 
und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen. 
Art. 76. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern 
dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten 
Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen 
Theils von dem Bundesrathe erledigt. 
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfas- 
sung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt 
ist, hat auf Anrufen eines Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen 
oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Bundesgesetzgebung zur Er- 
ledigung zu bringen. 
Art. 77. Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizver- 
weigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht 
erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene, nach der 
Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates 
zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechts- 
pflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundes- 
regierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken. 
XIV. Allgemeine Bestimmungen. 
Art. 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der 
Gesetzgebung!). Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundesrathe 
14 Stimmen gegen sich haben. · 
  
1) Nach dem Vertrage mit Baden und Hessen vom 15. November, dem 
Schlußprotokolle vom 25. November zum Vertrage mit Württemberg 1 ad 9, dem 
Vertrage mit Bayern vom 23. November ad V. gilt es als selbstverständlich, daß 
diejenigen Vorschriften der Verfassung, durch welche bestimmte Rechte einzelner 
Bundesstaaten und deren Verhältniß zur Gesammtheit festgestellt sind, nur mit Zu- 
stimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werden können. 
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