2. Der Student und junge Beamte in Sturm und Drang
MBimarch bezog Ostern 1832 die Universität Göttingen. Der
vaterländische Grundton in seiner Lebensauffassung hatte
zur Folge, daß er zunächst zur Burschenschaft in Beziehung geriet.
Die Burschenschaft bezeichnete als ihren Zweck die Pflege des
nationalen Gefühls. Aber die Verfolgungen, denen sie infolge der
Karlsbader Beschlüsse ausgesetzt war, hatten gerade das bewirkt,
was jene verhindern wollten, nämlich daß revolutionäre Strö-
mungen in ihrem Schoß Wurzel faßten. Das stieß Bismarck ab;
auch mißfielen ihm, als er in nähere persönliche Bekanntschaft zu
ihren Mitgliedern kam, die Weigerung, Satisfaktion zu geben, und
auch die Hinwegsetzung über die Formen der guten Gesellschaft;
die Extravaganz der politischen Anschauungen glaubte er auf einen
Mangel an Bildung und an Kenntnis der vorhandenen, historisch
gewordenen Lebensverhältnisse zurückführen zu sollen. Bismarck
war Zeit seines Lebens alle politischen Phrasen, alles Abstrakte
und Doktrinäre zuwider; schon als Siebenzehnjähriger hatte er die
Welt der historischen Wirklichkeit mehr zu beobachten Gelegenheit
gehabt als die meisten jener durchschnittlich älteren Studenten.
Daß hinter der Schwärmerei und hinter dem wüsten Gam-
brinus= und Bacchuslärm dieser jugendlichen Heißsporne doch
ein rein vaterländischer Idealismus, ein tiefinnerliches Mitleben
mit den Gedanken lag, die jene Zeit als ein Nachzittern des
Geistes der Befreiungskriege durchzogen, und ein Mitleiden mit
den Kämpfen und Geschicken der Nation, der ihr Lohn für ihre
Opfer nicht geworden war, das wußte der junge preußische Land-
edelmann nicht gebührend einzuschätzen. Und daß der Idealismus
dieser Kreise, der mit Selbstaufopferung im Dienste der natio-
nalen Idee verbunden war, nicht mit praktischem und reellem
Zielbewußtsein verbunden war, das stieß den jungen Wirklich-
keitsmenschen vielleicht noch mehr ab. Ihm lag das Herren-
gefühl näher, das damals wie heute in den Korps steckte, und