8 10. Die Rechtsstellung des Königs. 67
Was hier in erster Linie ausgeschlossen ist, das ist der Fall einer Union. Einverleibung
eines fremden Gebietes in das Königreich Sachsen bedürfte ja ohnehin eines verfassung-
o#indernden Gesetzes.13) Dagegen wird zwischen Real- und Personal-Union zu unterschei-
den sein. Die Real-Union, die eine dauernde rechtliche Verbindung der Staaten darstellt,
ist wieder nur mit Zustimmung der Volksvertretung denkbar, schon wegen der Opfer,
welche für die Gemeinschaft gebracht werden müssen. Verf.-Urk. &/ 5 würde also nur gegen-
über einer beabsichtigten Personal-Union von selbständiger Bedeutung sein.1!) Der Vor-
behalt der „Erbanfälle"“ ist auf die mit den Ernestinischen und Hessischen Häusern bestehenden
Erbverbrüderungen gemünzt (oben #5 9, II Nr. 1), deren Kehrseite hier in Betracht kommt.
Aufenthalt „außerhalb Landes“ ist Aufenthalt außerhalb des Gebietes des König-
reichs. Die Mitgliedschaft im Deutschen Reiche hat daran nichts geändert. Ebensowenig
wird dieses selbständige Verbot schon dadurch beseitigt, daß der König zulässigerweise
Oberhaupt eines anderen Staates geworden ist.15)
Beide Pflichten bestehen wieder dem Volke gegenüber, das von den Ständen ver-
treten wird in der Geltendmachung. Diese können im Einzelfalle auch davon entbinden
(„ohne Zustimmung der Stände"). Irgendwelcher Rechtszwang ist nicht vorgesehen.
II. Die Verf.-Urk. § 4, nachdem sie die Stellung des Königs als Oberhaupt des Staates
gekennzeichnet hat, fügt im zweiten Satze hinzu: „Seine Person ist heilig
und unverletzlich“.
Wenn diese Ausdrucksweise überschwenglich klingt, so ist sie eben die übliche, unter
anderem auch in der Bayrischen, Württembergischen und Badischen Verfassung ange-
wendet. Heutzutage würden wir das nämliche vielleicht etwas nüchterner sagen. Es
handelt sich um das Selbstverständliche, daß dem Oberhaupt der großen und ehrwürdigen
Einrichtung, Staat genannt, eine ausgezeichnete Ehrenstellung zukommt, die es
persönlich über alle Staatsgenossen erhebt. Was dazu gehört, darüber hat jede Zeit ihre
Anschauungen, von denen aber stets der größte Teil Erbstücke aus früheren Staatszu-
ständen sind.
Wir können unterscheiden: Außerliche Ehrenvorzüge, welche geeignet
sind, den König mit einem gewissen Glanze zu umgeben; das sind Veranstaltungen, deren
rechtliche Bedeutung nur nebensächlich und hilfsweise zutage tritt. Andererseits hat der
König aber eine besondere Ehrenstellung auch noch in dem älteren Sinne von Ehre, wo-
nach seine Person, sein menschliches Dasein, eine hervorragende rechtliche Wertung genießt,
einen erhöhten Rechtsstand. Das, was die Ausdrücke in Verf.-Urk. § 4 be-
sagen wollen, bildet eigentlich nur den letzten innersten Kern von alledem.
dem jetzigen 5 5 formulierten. „Der Rückblick auf die Vergangenheit“, meinten sie, „zeigt uns,
wie notwendig die Bestimmung ist“ (Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 1768). Es ist klar, daß man an
Polen und August den Starken gedacht hat.
13) Vgl. oben & 6, III. Erwerb eines fremden Gebietes durch den König von Sachsen, derart,
daß es zu seiner Verfügung bleibt, wie Lauenburg seiner Zeit zu der des Königs von Preußen,
wöre durch Verf.-Urk. § 5 nicht getroffen; denn das wäre eben kein Staat, sondern sächsisches
ebenland.
14) Über den Unterschied: Jellinek, Recht des mod. Staats I S. 73: „Die Personal-
union ist im Rechtssinn keine Verbindung von Staaten.“
15) Daß der König innerhalb des Landes seine Residenz, d. h. den Sitz der Hofhaltung,
ganz frei wählen kann, ist selbstverständlich. Früher hat man wohl zuweilen darüber diskutiert;
vgl. Opitz, Staats-R. I S. 158, Note 6. — „Wesentlicher“ Aufenthalt wird in der Ausdrucks-
weise des Sächsischen Rechtes gleichbedeutend sein mit Wohnsitz; vgl. unten § 32 Note 14.
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