Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

S 3. Die landesherrlichen Hoheitsrechte. 29 
Noch im letzten Moment, 1495, — ob es fünfundzwanzig Jahre 
später wohl noch möglich gewesen wäre? — gelang es den Reichs- 
gewalten, das Reichskammergericht zustande zu bringen, 
dem sich 1501 der Reichshofrat anschloß. Beide stehen mit 
konkurrierender Gerichtsbarkeit über den Landesherren, dieser 
mit äußerem Ehrenvorzug und glänzenderer Stellung, jenes aber, 
auch in allem Elend seiner Zustände, von der größeren geistigen 
Bedeutung. Sie wachen insbesondere auch über die Einhaltung 
der Grenzen der landesherrlichen Hoheitsrechte gegenüber deu 
Untertanen. Anderwärts, wo es an einer solchen Einrichtung 
fehlte, mußte die fürstliche Gewalt unter dem fortdauernden An- 
trieb des Naturrechts sich alsbald über alle Rechtsschranken hinaus 
in8 Ungemessene verlieren. Hier wird dieser Prozeß gehemmt. 
So lange die Reichsgerichtsbarkeit Macht hat, bleibt unsere Rechts- 
entwicklung bei den Hoheitsrechten stehen. Während sie in Frank- 
reich schon längst nur mehr der Wissenschaft Rubriken liefern 
zur Einteilung einer unbeschränkten königlichen Gewalt, ist es bei 
uns ernst gemeint damit. Die Staatsgewalt hat bei uns bis nahe 
an die Gegenwart heran die Gestalt einer Sammlung von einzelnen 
Befugnissen des Fürsten behalten. 
Das gibt aber dem Verhältnis, in welches sie bei ihrer Tätig- 
keit zum einzelnen Untertanen tritt, seine allgemeine rechtliche 
Natur. Das Verwaltungsrecht jener Stufe ist innerlich 
gestaltet nach dem Vorbild des Zivilrechts. 
II. Die Rechtsordnung zwischen Fürst und Untertan, zu 
deren Aufrechterhaltung die Reichsgerichte bestellt sind, erscheint 
vor ihnen in dem Spiel von Rechten und Gegenrechten, 
wie sie für beide Teile begründet sein mögen. 
1. Der Landesherr darf kraft der Landeshoheit den Unter- 
tanen nicht belasten noch in Anspruch nehmen, als wofür er durch 
ein bestimmtes ihm zustehendes Recht sich ausweist. 
Seine Rechtstitel sind aber nicht gleichwertig. 
Von Haus aus gehören ihm sicher zu die ehemaligen Amts- 
gewalten des Reichs, die auf lehnrechtlichem Wege zu Hoheits- 
rechten geworden sind, vor allem die potestas jurisdictionis und 
das damit zusammenhängende jus legislatorium, das Recht der 
Aufstellung von Rechtssätzen für Zivil- und Strafrecht. 
Dagegen sind lange noch Gegenstände des Streits und der 
Bekämpfung die Ansprüche, die er erheben mag auf Leistungen 
von Diensten, jus sequelae, und vor allem auf Abgaben, collectae, 
vectigalia, conductum und sonstige Vorrechte vermögensrecht-
	        
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