Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

3 53. Ausgleichende Entschädigung. 535 
destoweniger trägt auch das so entstandene zivilrechtliche Rechts- 
institut Besonderheiten an sich, die deutlich bekunden, daß in 
Wahrheit doch nicht eine Haftung für unerlaubte Handlungen in 
Frage stand, sondern etwas anderes, Unbekanntes, wofür diese 
Haftungsbestimmungen nur das Verlegenheitskleid sind *°, 
Zu dem allen trat nun, an Umfang mehr und mehr alles 
überragend, die neuzeitliche Sondergesetzgebung über staat- 
liche Entschädigungen. Bei jeder Gelegenheit, wo das Gesetz 
staatliche Geschäfte ordnete, die geeignet waren, zu ungerechter 
Schädigung der Einzelnen auszuschlagen, und wo dieser Fall so 
Eigentümer auf Ersatz seiner Kosten für Stellvertretung, da „auch er selbst 
in der Person des W. als seines Organs verletzt (überfahren!) sei“. 
Klingt es gleich seltsam, hat es doch Methode! Es beruht jedoch weniger auf der 
Organtheorie, wenn jetzt die Entschädigungspflicht des Staates so gleichmäßig in 
zivilrechtlicher Form ausgedrückt ist. Diese Gesetzgebung, was auch nebenbei 
theoretisiert worden sein mag, knüpft doch tatsächlich eher an das französische 
Recht an. Es ist ja bekannt, welches Ansehen das einfache und ausgiebige 
Deliktsrecht des code civil bei uns genossen hat; die Haftung des Geschäftsherrn, 
commettant, galt dort schlechthin; die französischen Gerichte haben den Staat 
auch in seiner öffentlichen Verwaltung — unter dem Widerspruch der Verwaltung 
freilich und des Kompetenzkonfliktshofes — als commettant behandelt (vgl. oben 
Note 24). Daß die vom B.G.B. ausgehende Ordnung der Frage sich dem Stand- 
punkt der Justiz und nicht der Verwaltung anschloß, ist erklärlich. 
36 Mit dem Gedankenkreise der ausgleichenden Entschädigung hängt zu- 
sammen vor allem die unmittelbare Haftung des Staates, welche in den meisten 
Gesetzen durchgeführt ist, unter Befreiung des Beamten selbst (vgl. oben Bd. I 
S. 199 f.). — Dann gehört dahin die Versagung des Entschädigungsanspruches 
für Ausländer, sofern die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (so unter andern 
das Preuß. Ges. v. 1. Aug. 1909 $ 7), Ein richtiger zivilrechtlicher Schadens- 
ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung widerstrebt solcher Unterscheidung. 
Hier aber wird eben wieder der Gedanke eines besonderen Ausgleichs lebendig, 
der zwischen dem Betroffenen hergestellt werden soll und seinen Staatsgenossen. 
Der schuldige Beamte selbst haftet unbedingt. Bezeichnend ist die Formulierung, 
wie sie unter andern das Badische Ges. v. 17. Juni 1899 Art. 5 gibt: „Ausländern 
kann die Entschädigung verweigert werden.“ Damit ist einer Gewährung aus 
Billigkeit Raum gelassen. — Das Bayrische Ges, v. 9. Juni 1899 Art. 61 bestimmt 
überdies: „Ist ein Beamter für den Schaden nicht verantwortlich, weil er sich in 
einem Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung 
ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit be- 
funden hat, so kann der Beschädigte von dem Staate Schadensersatz verlangen.“ 
Hier fällt also Niemandem ein Verschulden zur Last. Anlehnung findet diese 
Bestimmung nicht an B.G.B. $$ 823 oder 831, sondern nur an $ 829, der einen 
Schadensersatz des Unverantwortlichen insoweit vorschreibt, „als die Billigkeit 
es erfordert“. Die Billigkeit bemißt sich aber natürlich hier nicht „nach den 
Verhältnissen der Beteiligten“, sondern nach jener bestimmten Art von Billigkeit, 
die zwischen dem Staat und dem von ihm besonders getroffenen Untertan gilt.
	        
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