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möchten selber doch bestimmen, welcher von ihnen sie besitzen solle.
Kaum waren ihr diese Worte entschlüpft, als die ritterlichen Jüng-
linge sich erhoben und davongingen. Unter der Linde erklangen
bald darauf ihre Schwerter. Sie hatten den Zweikampf als Ent—
scheidung gewählt. Beide Kämpfer sanken, bedeckt mit Wunden,
unter dem Baume nieder. Der eine hatte traurigen Sold der
Minne, den Tod, gefunden. Ein Schwertstreich übers Haupt färbte
sein Lockenhaar blutigrot. Der andere blickte schwerverletzt noch
einmal empor zu der Geliebten, welche, aufgeschreckt durch das
Waffengetöse, nach der Linde geeilt war und hier das Vorgefallene
schaute. Erschüttert stand sie da, als der am Boden Liegende mit
leiser Wehmut zu ihr sagte: „Um dich, du liebliches Mägdelein, mußte
alles dies geschehen!“ Wie schnitt ihr's ins Herz hinein, obgleich so
vorwurfslos der wunde Jüngling zu ihr sprach. Hatte doch ge—
rade dieser von beiden ihre Gegenliebe errungen. Sie suchte pfleg—
gewandt seine Schmerzen zu lindern, verband ihn und kühlte seine
brennende Stirn. Doch das fliehende Leben vermochte sie nicht zu
fesseln. Schon senkte sich die Nacht auf des Jünglings Auge. Da
lispelte er sterbend: „Mein Liebchen, weine oder weine nicht, wir
werden nicht vereint! doch wirst du mein gedenken, wenn man bald
mich schmücket mit dem weißen Kleide und dem Rautenkranz!“
Berichtigung:
S. 593, Z. 2 von oben lies „drei Kreuzen“" (statt Brücken).
S. 644, Z. 4 von oben lies „Nauberg" (statt Raumburg).