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nicht einer Genehmigung der Bürgerschaft gleich, sondern sie hat
nur einen provisorischen Charakter. Sie gilt nur bis zu der bald-
thunlichst einzuholenden Entscheidung der Bürgerschaft.: Auch hier kann
der Senat sich unter Umgehung des Bürgerausschusses direkt an die
Bürgerschaft wenden; auch kann er nach einer Ablehnung durch den
Bürgerausschuß denselben Antrag bei der Bürgerschaft wiederholen.
Wie weit der die Kompetenz des Bürgerausschusses begründende Be-
griff der „gesetzlichen Verfügungen von geringerer Bedeutung“ reicht,
kann natürlich unter Umständen zweifelhaft sein. Erachtet sich in
einem bestimmten Falle der Bürgerausschuß für inkompetent, so wird
dem Senate nichts übrig bleiben, als mit seinem Antrage an die
Bürgerschaft zu gehen.
3. Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann der Senat
allein, kraft seines Staatsnotrechts, gewisse verfassungsmäßige oder
gesetzliche Bestimmungen (über Versammlungsrecht, Presse 2c.) zeitweilig
außer Kraft setzen. (S. oben S. 91 ff.) Nachdem dies geschehen, ist
sofort eine Entscheidung der Bürgerschaft über die Aufrechterhaltung
dieser provisorischen Maßregel herbeizuführen. Kommt jedoch die
Bürgerschaft auf erfolgte Berufung nicht in beschlußfähiger Anzahl
zusammen, so hat der Senat sich alsbald an den Bürgerausschuß zu
wenden, der dann an Stelle der Bürgerschaft über die Frage der Auf-
rechterhaltung der provisorischen Maßregel des Senats zu entschei-
den hat.3
1 So werden die nicht eben glücklich gewählten Worte: „bis zur künftigen
Zustimmung der Bürgerschaft“ zu interpretieren sein. Im Entwurf der Kon-
stituantenverfassung (Art. 92) hieß es korrekter: „Der Bürgerausschuß ist befugt
— — bis zur Entscheidung durch die Bürgerschaft vorläufig zu beschließen.“
* Im Entwurf der Konstituantenverfassung (Art. 93) war bezüglich der hier
erörterten Kompetenz des Bürgerausschusses bestimmt: „Wenn ½⅛ der anwesenden
Mitglieder des Bürgerausschusses vor Eröffnung der Beratung die Zuständigkeit
des Bürgerausschusses für den betreffenden Antrag in Frage stellt, so ist derselbe
an die Bürgerschaft zu verweisen.“
* Verf. Art. 102. Die provisorische Maßregel des Senats tritt jedoch
4 Wochen nach ihrer Verfügung von selbst außer Kraft, wenn sie nicht (wieder
unter Beobachtung der obigen Bestimmungen) verlängert wird. — In Lübeck
ist dem Senat eine analoge Ausübung des Staatsnotrechts nicht eingeräumt. In
Bremen ist dies geschehen; doch kann eine Außerkraftsetzung der provisorischen
Maßregel nur durch die Bürgerschaft oder durch Ablauf der vierwöchentlichen Frist
erfolgen. (Verf. 8 20.)