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Kammern gegenüber ausübe; der Senat könne die Versammlung der
Bürgerschaft weder vertagen, schließen noch auflösen. — Ähnlich sagt
Zachariae!n: „Principiell ist für die Bürgerschaft als Mitinhaberin
der höchsten Gewalt das Selbstversammlungsrecht begründet oder
wenigstens die Satzung unabweisbar, daß sie auf ein in gewisser Form
kundgegebenes Verlangen berufen werden muß oder zu den verfassungs-
mäßig bestimmten Zeiten ohne weiteres zusammentritt. Auch kann
von einem Rechte des Senats, die Bürgerschaft, wie der Souverän
die Landstände, nach Belieben oder eigenem Ermessen zu vertagen,
aufzulösen oder ihre Versammlung zu schließen, keine Rede sein.“ —
Auch G. Meyer hebt — wie es scheint, den gleichen Gedankengang
verfolgend — hervor: „Die Bürgerschaft tritt nicht auf Berufung des
Senates zusammen, sondern hat ein Selbstversammlungsrecht. Der
Senat besitzt keine Befugnis, die Bürgerschaft aufzulösen ?.“
Diesen Ausführungen gegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen,
daß es nicht richtig ist, wenn man ohne weiteres sagt, der hambur-
gischen Bürgerschaft stehe das Selbstversammlungsrecht zu. Beginnt
nämlich in Hamburg — nach der alle drei Jahre erfolgenden halb-
schichtigen Erneuerung der Bürgerschaft — eine neue Legislatur-
periode, so kann die Bürgerschaft nur nach erfolgter Einberufung seitens
des Senates zusammentreten. Allerdings ist der Senat verpflichtet,
sie innerhalb bestimmter Frist zu berufen; wenn er aber dieser Pflicht
nicht nachkommen würde, wäre ein trotzdem erfolgtes, eigenmächtiges
Zusammentreten der Bürgerschaft ungesetzlich, verfassungswidrig.“
Ist dagegen die Bürgerschaft nach Beginn einer neuen Legislatur-
1 Deutsches Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl., Tl. 1, 1865, S. 706.
*a. a. O., § 119. Ferner sagt Grotefend: „Eine Auflösung der Bürger-
schaft kennt das (deutsche) republikanische Staatsrecht nicht, weil die souveräne
Gewalt sich in Senat und Bürgerschaft darstellt. (Das deutsche Staatsrecht der
Gegenwart, S. 774.)
k Art. 41s, Abs. 1 der Verfassung.
Es ist demnach unrichtig, wenn H. Schulze sagt: „Wenn der Senat
auch regelmäßig das Konvokationsrecht hat, so kann doch die Bürgerschaft überall,
wenn der Senat ihre Zusammenberufung unterläßt, auch auf Beschluß ihres Aus-
schusses oder ihren eigenen Beschluß zusammentreten.“ Anders liegt die Sache
freilich in Lübeck und Bremen, wo eine dem Art. 41, Abs. 1 der Hamb. Ver.
fassung entsprechende Bestimmung fehlt. (über den Zusammentritt der Bürger-
schaft daselbst s. unten § 45).