Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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serer Ueberzeugung sein könnte, hat nie auf die Zustimmung der verbündeten 
Regierungen zu rechnen. (Bravo! rechts.) Daß bei den Verhandlungen 
einer so wichtigen Frage, bei der es sich gewissermaßen um Kopf und Kragen 
für Deutschland handelt, daß dabei der Bundesrath so koulant und entgegen- 
kommend sein und ein Auge zudrücken wird, und die Punkte auf das i nicht 
setzen wird, das erwarten Sie in einer solchen Frage nicht. Warum wollen 
Sie nun solche Krisen vervielfältigen, indem Sie sie womöglich alle Jahre 
herbeiführen oder doch alle drei Jahre? Wir haben eine Abneigung gegen 
solche Krisen und Konflikte. Wir wünschen Kompromisse und halten an dem 
Kompromiß von früher fest, und deshalb haben wir das Septennat vorge- 
schlagen. Wenn dasselbe abläuft, so kommt immer die Frage: was ist denn 
Rechtens, wenn über das Präsenzgesetz nach Artikel 60 keine Vereinbarung 
der beiden Faktoren der Gesetzgebung stattfindet; oder was ist denn Rechtens, 
wenn über das Budget keine Vereinbarung beider Faktoren herbeigeführt 
wird? Die zweite Frage will ich gar nicht berühren, sie liegt nicht vor, 
und ich halte es nach meiner diplomatischen Gewohnheit nicht für nöthig, 
mich mit Fragen zu beschäftigen, die augenblicklich nicht brennend sind. Ich 
will blos sagen: was ist Rechtens, wenn wir über die Präsenzziffer uns 
nicht einigen? Hört deshalb die Armee auf, zu existiren? Das werden Sie 
kelbst nicht behaupten wollen. Dann treten diejenigen Bestimmungen der 
Verfassung wieder in volle Kraft, die durch das auf Grund der Zusage von 
Artikel 60 gegebene Gesetz beschränkt sind. Das Gesetz auf Grund des Ar- 
tikels 60 zieht die obere Grenze der Zulässigkeit der Präsenzziffer. Der 
Kaiser kann nicht darüber hinausgehen. Nach diesem Gesetze dauert sie noch 
bis zum nächsten Jahre, 1888; wenn dieses Gesetz schwindet, ein neues nicht 
zu Stande kommt, sind wir dann weit entfernt davon, daß diese Grenze 
finkt oder die Armee verschwindet, sondern es steigt die obere Grenze der be- 
rechtigten Präsenzstärke der Armee bis zu dem Satze des Artikels 59 der 
Verfassung: 
Jeder wehrpflichtige Deutsche hat 3 Jahre lang bei der Fahne zu dienen. 
Das ist denn unsere Präsenzziffer (Heiterkeit rechts), die wir erreichen dürfen. 
Das ist eine finanzielle Unmöglichkeit, eine militärische Unbequemlichkeit, und 
deshalb hat die Verfassung, schon bevor das Versprechen im Artikel 60 ent- 
stand, durch den vierten Absatz des Artikels 63 das Moderamen gegeben, 
daß der Kaiser den Präsenzstand der Kontingente des Reichsheeres bestimmen 
soll. Also der Kaiser ist dann der Moderator, der allein zu sagen hat, wie 
hoch unter dem von Artikel 59 gegebenen Präsenzstand der letztere sein soll. 
Wenn wir nach kaiserlicher Machtvollkommenheit strebten, dann wäre dieser 
Zustand für uns außerordentlich erwünscht und wir könnten nur sagen: 
stellen Sie die Sache so kurz als möglich, es ist zu bedauern, daß das Früh- 
jahr 1888 nicht schon da ist; dann würden wir wahrscheinlich uns nicht 
einigen können über den Inhalt des Gesetzes, welches auf Grund von Artikel 60 
gemacht werden soll, und es würde dann der alte verfassungsmäßige Zustand 
wieder eintreten.
	        
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