Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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In England löst man jeden Donnerstag ein Parlament auf, wenn man 
glaubt, mit dem Nachfolger sich leichter verständigen zu können, als mit dem 
gegenwärtigen. Darauf bin ich jedoch nicht gekommen. Ich rechne auf ge- 
meinsame Arbeit, nicht auf Parteieinflüsse. Unterblieben ist die Auflösung 
hauptsächlich deshalb, weil wir garnicht darauf gefaßt waren, daß diese 
mäßigen Forderungen für die Verstärkung der Wehrkraft überhaupt auf 
Widerstand stoßen würden. Hätten wir das vorher mit einiger Sicherheit 
wissen können, so hätten wir allerdings mehr Zeit gewonnen, wenn wir uns 
in einer Kaiserlichen Proklamation an das Volk gewandt hätten, auf 
die Bedenken der militärischen Autoritäten darin aufmerksam gemacht und 
die Wähler klar vor die Frage gestellt hätten: wollt ihr, daß Deutsch- 
land stärker geschützt werde, als es bisher geschehen ist, oder wollt ihr es 
nicht? Das ist nicht geschehen. Es wird aber unzweifelhaft geschehen müssen, 
wenn sie uns nicht in den Stand setzen, diesen Schutz zu verwirklichen. 
(Bravol rechts.) 
Der Abgeordnete Dr. Windthorst konnte es sich nicht versagen, 
auf diese Rede des Reichskanzlers zu antworten. Er meinte, daß er 
und seine Freunde jeden Mann und jeden Groschen bewilligt hätten, 
daß er aber nach den heute gehörten politischen Ausführungen keinen 
Groschen bewilligt haben würde! Redner hob besonders hervor, daß 
er keinen Hannoveraner kenne (), der im Falle eines Sieges der Fran- 
zosen auf die Wiederherstellung Hannovers rechne; er hoffe aber fest, 
daß sich das Gerechtigkeitsgefühl doch noch so weit entwickeln werde, 
daß Fürsten und Völker selbst die Wiederherstellung Hannovers er- 
streben würden. Herr Windthorst betonte schließlich, daß es im Augen- 
blick der Gefahr keine Parteien in Deutschland geben werde, doch möge 
der Reichskanzler es sich auch überlegen, ob dem Reichstage nicht doch 
noch nach drei Jahren eine Prüfung der Angelegenheit gestattet werden 
könnte. Er übernehme die Verantwortung für Weiteres nicht; das 
deutsche Volk aber solle es wissen, daß die Opposition jeden 
Mann und jeden Groschen bewilligt habel 
Darauf entgegnete Fürst von Bismarck Folgendes: 
Die Rede des Herrn Vorredners war in der Hauptsache eine Wider- 
legung der Behauptung, mit der er sie einleitete, nämlich der Behauptung, 
daß er viel zu bescheiden wäre, um sein militärisches Urtheil gegenüber dem 
des Feldmarschall Moltke ins Gewicht zu legen. Die ganze Rede hat doch 
eigentlich eine Tragweite nur, wenn angenommen wird, daß in militärischen 
Dingen, in der Beurtheilung der Frage, ob das, was Sie bewilligen wollen, 
der Forderung äquivalent ist, in der Beurtheilung der Frage, was damit zu 
leisten ist, — wenn in diesen Fragen der Abgeordnete Windthorst dem 
Grafen Moltke, wie man sagt, „über"“ ist. Wenn das der Fall ist, ja dann 
hat das Alles Hand und Fuß, was der Herr Abgeordnete soeben gesagt hat. 
Wenn aber das, was ich hier kurz mit „Graf Moltke“ bezeichne, das heißt, 
die Gesammtheit militärischer Autoritäten, die für die Vorlage eintreten, 
 
	        
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