Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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esse in Bezug auf Oesterreich; aber wir können uns nicht unsere Sonderinteressen 
gegenseitig aneignen. Wir haben von Oesterreich niemals verlangt und haben auch 
keinen Anspruch darauf, daß es sich in unsere Händel mit Frankreich mische. 
Wenn wir Schwierigkeiten haben mit England in Kolonialfragen, oder wenn wir 
mit Spanien über Lumpereien wie die Karolinen in Händel kommen (Heiterkeit), 
— haben wir nie an Oesterreich einen Anspruch gemacht auf Grund unseres 
freundschaftlichen Verhältnisses. Soweit es sich um unsere beiderseitige 
Existenz als volle, freie und mächtige Großstaaten handelt, soweit vertreten 
wir gegenseitige Interessen. Aber was Oesterreich in Konstantinopel für 
Interessen hat, das wird Oesterreich allein zu beurtheilen haben; wir haben 
dort keine, — ich wiederhole das. Wenn der Herr Abgeordnete Windthorst 
einmal mein Nachfolger sein wird, dann wird er ja entscheiden können, daß 
wir in Konstantinopel Interessen haben, die uns unter Umständen einen so 
schweren Krieg wie den mit unserem zweihundertmeiligen Grenznachbar, 
Rußland, ertragen lassen können; wir hätten nachher doch dafür die Genug- 
thuung, daß am Bosporus das Regime herrschte, das wir gewollt und 
gewünscht haben; dafür können wir schon ein paar hunderttausend Menschen 
und ein paar Milliarden opfern! Denn, glauben Sie doch nicht, daß, wenn 
man solche Politik einmal falsch instradirt, man auf jeder Station umkehren 
kann; das ist nicht möglich. Wenn wir einmal das gegenseitige Mißtrauen 
erwecken, dann geht es auch, wenn keiner von Beiden sich blamiren will, 
unaufhaltsam vorwärts. Die Politik zweier Großstaaten nebeneinander 
kann man vergleichen mit der Lage zweier Reisender, die einander nicht 
kennen, in einem wüsten Walde, von denen keiner dem Andern vollständig 
traut; wenn der Eine die Hand in die Tasche steckt, dann spannt der Andere 
schon seinen Revolver, und wenn er den Hahn des Ersten knacken hört, 
feuert er schon. So ist es bei Mächten, von denen jede Einfluß auf die Ent- 
scheidungen der andern hat; da muß man das erste Mißtrauen und die erste 
Verstimmung der andern sehr sorgfältig vermeiden, wenn man die Freund- 
schaft bewahren will. Das Alles wird der Herr Vorredner besser wissen 
als ich, wie ich überhaupt bedauere, daß er den Platz, den ich einnehme, 
nicht einnimmt; aber ich kann gegen den Willen des Kaisers nicht auf- 
kommen. 
Der Herr Abgeordnete hat ferner gesagt, was wir denn zu befürchten 
hätten, wenn Rußland unser Verbündeter sei. Ich weiß nicht, woher er 
weiß, daß Rußland unser Verbündeter ist. Wenn er geheime Nachrichten 
aus Petersburg hat, daß Rußland mit uns ein Bündniß gegen Frankreich 
abschließen will, so würde ich ihm dankbar sein, wenn er mir das mittheilen 
wollte; das wäre patriotischer, als hier in die Oeffentlichkeit solche Nach- 
richten zu lanziren, die ich für irrthümlich halte. Ich habe gestern noch die 
Ehre gehabt, mit dem russischen Botschafter zu Mittag zu essen; mir hat er 
nichts davon gesagt, daß er ein Bündniß vorschlüge. Ich habe mein Ver- 
trauen dazu ausgesprochen, daß Rußland uns nicht angreife und nicht kon- 
spirire mit anderen Mächten, daß es kein Bündniß gegen uns suche. Wir 
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