Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

— 41 — 
angeblich stets gemachten Vorwürfe und kam auf die Angelegenheit 
des ehemaligen Königreiches Hannover zurück. Hierbei behauptete er, 
daß der verstorbene König von Hannover wiederholt in Nikolsburg 
und in Berlin um Verhandlungen zum Frieden gebeten habe, aber 
„schnöde“ zurückgewiesen worden sei. Der Präsident von Wedell— 
Piesdorf rief den Redner wegen des Ausdruckes „schnöde“, der sich 
nur auf die damalige preußische Regierung beziehen konnte, zur Ord- 
nung. Redner erging sich sodann in versteckten Angriffen gegen den 
Reichskanzler und meinte, es habe Staatsmänner gegeben, welche kein 
Bedenken hatten, mit Mächten zu verhandeln, zu deren wesentlichsten 
Soldaten Garibaldi gehörte, und aus ungarischen Soldaten, die ge— 
fangen waren, Truppen zu bilden zur Bekämpfung ihres Landesherrn. 
Solche Herren hätten kein Recht, Anderen solche Vorwürfe zu machen, 
wie sie gemacht seien. Redner berührte die seitens des Centrums dem 
Reichskanzler gewährte Unterstützung seiner Wirthschaftspolitik und 
bezog sich auf das 10. Armeekorps, welches wesentlich aus Hannove— 
ranern bestehe und welches, wie kein anderes, sich im Kriege hervor- 
gethan habe. Redner erwähnte dann weiter der glorreichen Thaten 
des Welfengeschlechts und erklärte, daß er seinem angestammten Königs- 
haufe treu bleiben werde, soweit das seine neue Unterthanenpflicht 
gestatte. Er verwahrte sich ferner dagegen, klüger sein zu wollen als 
der Graf von Moltke und kam im weiteren Verlaufe seiner Rede zu der 
Erklärung, daß er allerdings auch Gelegenheit gehabt habe, manches 
Gute zu wirken, wozu er nicht zuletzt rechne, wenn er manchmal nicht 
ohne Erfolg Plänen des Reichskanzlers, die er nicht für zutreffend ge- 
halten, habe entgegentreten können. Der Reichskanzler habe gestern 
auch von der kaiserlichen und der Parlamentsarmee gesprochen. Eine 
kaiserliche Armee hätten wir überhaupt nicht. Wir hätten eine Reichs- 
armee und die militärische Hoheit über das Reichsheer sei getheilt 
zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und den einzelnen Kontingentherren. 
Redner wiederholte zum Schlusse, daß er und seine Freunde Alles 
was nöthig sei bewilligten und keinen Mann und keinen Groschen ab- 
zögen. Sollte nach drei Jahren eine Neubewilligung nöthig sein, so 
würden sie auch dann für das Vaterland alles Nöthige hergeben. 
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck antwortete auf diese 
Rede, wie folgt: 
Der Herr Vorredner sagt: Ich bewillige jeden Mann und jeden Groschen 
auf 3 Jahre; dann werden wir wieder zusammenkommen und sehen, ob das 
noch nöthig ist, und wenn wir, die Abgeordneten, finden, daß es nicht mehr 
nöthig sei, so werden wir, wie er in seiner gestrigen Rede sagte, darauf drin- 
gen, daß das Heer vermindert werde. Der Herr Vorredner muthet uns also 
zu, daß wir das Vertrauen nicht nur auf den guten Willen, sondern auch 
auf die militärische Einsicht desjenigen Reichstags haben sollen, welcher über 
drei Jahre hier wiederum versammelt sein wird. Weiß denn der Herr Vor- 
redner, wie der beschaffen sein wird? Ist denn die Majorität, über die der 
Herr Vorredner jetzt die ponirt, so gleichartig, so sicher, so unanfechtbar, daß 
er auch nur auf ein gleiches Verhältniß wie jetzt rechnen kann? Diese Majorität, 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.