— 42 —
das Konsortium, welches die oppositionellen Parteien gegen die Regierungen
im Reichstage bilden, setzt sich doch aus den heterogensten Elementen zu-
sammen und kann sehr leicht durch den Abfall von einem dieser Elemente
vollständig erschüttert und verkehrt werden. Wenn z. B. auch nur die 25
Sozialdemokraten unter der Führung des Redners, den wir heute hörten,
zu einer andern Seite übergingen oder sich lossagten von dieser jetzigen Ma-
jorität, wenn die z. B. gouvernemental würden, so würde das einen Unter-
schied von 50 Stimmen machen, da auf der einen Seite 25 abzuziehen, auf
der andern 25 zuzurechnen wären. Wenn auch nur die Polen und Pro-
testler, Leute aus dem Elsaß, dasselbe Manöver machen, so leidet die Ma-
jorität auch schon Schaden. Ich will von den Welfen gar nicht reden, die
ja aber finden könnten, daß es des Kulturkampfes genug wäre, und daß sie
sich mal mit ihren eigenen Angelegenheiten ohne die Leitung des Herrn Ab-
geordneten Windthorst beschäftigen wollten. Noch größer wäre die Bresche
in diese Moajorität, wenn beispielsweise die fortschrittliche Satrapie dem zen-
tralen Sultanat den Gehorsam aufkündigte. Die Majorität besteht ja nur
auf dieser ganz eigenthümlichen Verschmelzung der heterogensten und unter
einander widerspruchsvollsten Elemente, die zufällig in der Negation und in
der Abneigung gegen die Persönlichkeiten der jetzigen Regierung einig sind;
une haine commune vous unit; sobald dies aufhört, sobald sie irgend etwas
Positives schaffen sollen, so find Sie ja vollständig uneinig, so sind Sie ja
keine Majorität. Sie können gar nicht wissen, wie diese Majorität nach drei
Jahren sein wird, und auf diese geben Sie uns eine Inblanko-Anweisung!
Auf die Majorität, die dann vorhanden sein wird, sollen wir das Vertrauen
haben, welches nothwendig ist, um in ihre Hände, in die Hände dieser Ma-
jorität, die Verfügung zu legen über das Palladium des Reiches, wie der
Herr Abgeordnete selbst am Schlusse seiner Rede sehr würdig und richtig
sagt! Ohne die Armee ist das Reich, ist die Ordnung nicht denkbar, ohne
diese Grundlage des Rechtsschutzes würde die ganze Verfassung nicht zu
Stande gekommen sein, wie ich gestern schon gesagt habe; der Schutz des
Bundes ist unsere erste Aufgabe. Auf eine solche Majorität will uns der
Herr Vorredner die Anweisung geben, daß wir auf sie Vertrauen haben
sollen, und daß wir uns dem aussetzen sollen, daß sie nach drei Jahren schon
wieder drängt?
Meine Herren, vielleicht ist die Majorität nach sieben Jahren ebenso
wenig berechenbar; aber weil gerade jedesmal eine schwere Krifis damit ver-
bunden ist, weil es eine unsichere Rechnung ist, weil dem Art. 60 der Ver-
fassung Genüge geschehen muß mit irgend einem Termin, und weil wir das
Aeternat nicht wollen, das eine Fessel für den Kaiser wäre, falls er mehr
braucht, als bewilligt ist, während der Ewigkeit, — aus diesen Gründen
haben wir uns an sieben Jahren gehalten — auch nach dem Grundsatz, daß
das konstitutionelle Leben eine Reihe von Kompromissen ist. Wir haben
diesen Kompromiß einmal gemacht im Jahre 1874, als er zuerst zu Stande
kam, — ich lag schwer krank im Bette, und in meinem Krankenzimmer haben