102 Die Volksschule.
dass durch dieselben das gesetzlich vorgeschriebene Minimum der allge-
meinen Bildung nicht gestört oder verkümmert werde.
3) Die zur Erfüllung dieser Aufgabe vom Staate zu ergreifenden Maass-
regeln zerfallen in vorbeugende ’), regressive und überwachende.
4) Vorbeugende Maassregeln sind zu ergreifen:
a) zunächst gegen Personen, von welchen aus psychologischen Gründen
oder nach genügender Erfahrung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit an-
genommen werden muss, dass sie die Gründung oder Leitung einer Schule
nicht zur Förderung einer harmonischen Jugendbildung benützen wollen
oder können, sondern zu anderweitigen Zwecken; mit doppelter Notliwendig-
keit natürlich, wenn diese Zwecke schon an sich verbrecherisch oder gemein-
schädlich sind. Die in solchem Fall einzig anwendbare Vorbeugungsmaass-
regel aber ist ein während der ganzen Dauer der schädlichen, positiven,
oder negativen, Eigenschaften wirksames Verbot der Betheiligung bei einer
Privatschule. Es sind aber hauptsächlich drei Gründe, aus welchen eine
solche Unfähigkeit vorausgesetzt werden kann.
Zuerst Unwissenheit in den zum vollständigen Unterricht in einer
Volksschule gehörigen Kenntnissen. Ein selbst Ununterrichteter kann keinen
gedeihlichen Unterricht ertheilen, und gegen seine schlechte Einwirkung
muss die dadurch in ibrer Bildung bedrohte Jugend eben so wohl geschützt
werden, als gegen die Rohheit von Aeltern, welche ihr gar keinen Unter-
richt zukommen lassen will. Völlig gleichgültig aber ist dabei der Grund,
aus welchem ein Ungeeigneter zum Unterrichte bereit wäre, ob aus Ge-
winnabsicht, aus schlecht angebrachtem Vertrauen der Aeltern, oder aus
Gehorsam gegen Vorgesetzte. Glücklicherweise ist hier ein untrügliches
Erkundungsmittel vorhanden, so dass Niemand Unrecht geschehen kann;
nämlich die Prüfung. Eine solche muss also ganz ausnahmslos für Alle
angeordnet sein, welche in einer, die Stelle einer Volksschule einnehmenden,
Privatschule Unterricht ertheilen wollen, und zwar ganz in der Ausdehnung
und in der Strenge, wie solche für die vom Staate anzustellenden Lehrer
1) Das in unscrer Zeit so vieifach gehörte Gerede, der Staat habo nicht das Recht, Prä-
ventivmaassregeln zu treffen, sondern müsse sich auf Repression beschränken, ist geradezu
blödsinnig. Oder Ist es nicht ein Frevel am gesunden Menschenverstande zu verlangen, dass
man schenden Auges das Uebel erst geschohen zu lassen habe und dann erst mit Strafen
und Schadenersatz einschreltien dürfe, während In vielen Fällen der Schuldige gar nicht zur
Strafe gezogen werden kann, In andern der Schaden nicht wieder gut zu machen let, jeden
Falies dem Beschädigten das Erduldete nicht wieder abgenommen werden kann, auch der
sittiicho Schaden einer Gesetzesübertretung keineswegs immer durch die Strafe wieder ge
heilt wird. Glücklicherweise lässt Jas tägliche Bedürfniss und das natürliche Gofühl es zur
Ausführung solcher hirnloser Prinelpienreiterei nicht kommen. Der erste Blick in das Leben
zeigt, dass wir von Präventivinaassregeln aller Art umgeben sind, welcho Niemand tadelt,
sondern vielmehr Jeder segnet und zur vollen Anwendong gebracht wissen will. — Damit
sind natürlich unnöthige oder das Maass Üühcrschreitonde Vorkehrungen nicht gerechtfertigt;
vor Allem muss wirklich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines drohenden Uebels vor-
banden sein,