Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

152 Die Universitäten. 
die wesentlichen Universitätsverhältuisse unberührt liess und lassen musste. 
— Mehr auf diese inneren Zustände war allerdings die Absicht der von den 
einzelnen Regierungen ausgegangenen Maassregeln; allein sie gerade waren 
Missgriffe. Nicht nur wurde nicht Alles erlangt, was beabsichtigt war, 
sondern es hätte auch die volleste Erreichung der Absicht die wesentlichsten 
Uebelstände der Universitäten nicht einmal berührt. Nicht erreicht wurde 
die Herbeiführung grösseren Fleisses und gründlicherer allgemeiner Vor- 
bildung. Theils widerstrebte es den Professoren (gleichgültig itzt ob mit 
Recht oder Unrecht), in die ihrer Meinung nach an niederere Schulen erinnern- 
den Vorschriften anders als höchstens der äusserlichsten Forn nach einzugehen. 
Theils genügten solche theilweise Zwangsanstalten bei dem im Ganzen unan- 
getastet gelassenen Principe der Lernfreiheit schon an sich durchaus nicht 
zur Beseitigung der wirklich vorhandehen Uebelstände; es bleiben halbe 
und noch dazu inconsequente halbe Maassregeln. Man fühlte nur dunkel, 
dass irgendwo wesentliche Fehler seien, ohne aber die Einsicht in den 
wirklichen Sitz des Uebels oder in die geeigneten Abhülfemittel zu haben. 
Eine unzweifelhaft weit durchgreifendere und in ihren Folgen nach Dauer 
und Umfang weit wichtigere Maassregel, als die bisher genannten, war die 
wenigstens zweimal wirklich ausgeführte, häufig aber dringend empfohlene 
Verlegung der Universitäten in grosse Städte. Selbst der eifrigste Gegner 
einer solchen Verlegung muss zugestehen, dass dieselbe sowohl die Wirk- 
samkeit einer Universität zu heben, als manchen auf deutschen Hochschulen 
herkömmlichen Unfug spurlos zu vertilgen geeignet ist. Den erstgenannten 
Vortheil hat die Maassregel, weil sie die in jeder grossen Stadt vorhandenen 
bedeutenden materiellen und personalen Unterrichts- und Bildungsmittel zur 
Verfügung der Universität stellt, was namentlich für die medicinischen und 
naturwissenschaftlichen Stndien von der grössten Bedeutung sein kann; weil 
sie einer beträchtlichen Anzahl von Menschen, welchen der Besuch einer 
entfernteren Universität nicht hätte beigehen können, Gelegenheit zur Be- 
nützung von Vorlesungen gewährt; weil sie bei den eigentlichen Studirenden 
die Vortheile des blossen Unterrichts mit denen eines Centralpunktes der 
Civilisation vereinigt; endlich weil cs in manchen Fällen leichter sein wird, 
bedeutende Männer für eine in einer grossen Stadt sich befindende Unirer- 
sität zu gewinnen. Die disciplinarische und gesetzliche Ordnung aber ge- 
winnt in so ferne, als die Studenten sich in der grossen Stadt als eigene 
Gattung verlieren, somit auch die in einem kleinen abhängigen Orte so be- 
stimmt hervortretenden Nachtheile eines übermüthigen und abgeschmackten 
Korporationswesens von selbst fehlen, und als der junge Mann hier Gelegen- 
beit und Veranlassung genug hat, seine Liebhabereien auf andere Dinge 
als auf burschikosen Unfug zu richten. Selbst seiner politischen Erziehung 
kommt in der Regel es zu gut. Er fühlt sich in der grossen Masse zu
	        
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