Vol Vorwort.
wenig ziemen, auch liegt sie wahrlich nicht in meinen Gewohnheiten.
Allein es wäre mir eine Feigheit erschienen, wenn ich der Be-
sprechung von Verlangen ausgewichen wäre, welche ich für durch-
aus unbegründet erachte und die Vieles bedrohen, was ich mein
Leben lang als gerecht und nützlich betrachtet habe und zu fördern
nach meinen schwachen Kräften bemüht war. Dass ein weltgeschicht-
licher Process — und ein solcher ist der Kampf der katholischen
Kirchengewalt gegen den Staat der Gegenwart — nur wenig beeinflusst
wird durch die Stimme eines Einzelnen, ist freilich wahr; allein wenn
er, wie hier der Fall ist, schliesslich doch nur durch die Ueberzeugung
der Mehrheit entschieden werden kann, so ist es Recht und Pflicht
zur Bildung einer richtigen allgemeinen Meinung beizutragen. Der
ganze Streit ist freilich beklagenswerth, und wäre es auch nur dess-
halb, weil der itzigen Zeit auch ohne ihn die Lösung so vieler schwie-
riger Aufgaben zugefallen ist, dass es aller aufzubringenden Kräfte
und eines allseitigen guten Willens zu ihrer Gewältigung bedurft
hätte. Die Schuld trifft aber nicht die Vertheidigenden, sondern die
Angreifer. Die Bürger des so hart verurtheilten Rechtsstaates und
die Kinder der als gottlos bezeichneten Gesittigung der Gegenwart
hätten recht gerne Zeit und Kräfte anderen Zwecken gewidmet.
Wie viel wirklicher Ernst und wie viele bewusste Paradoxie der
geneigte Leser in den zum Schlusse gegebenen kurzen Aufstellungen
finden will, ist seinem Scharfsinne überlassen. In keinem Falle kann
es schaden, wenn auch an Sätzen, welche gewöhnlich als höchst ein-
fach und für immer entschieden betrachtet werden, gezeigt wird,
dass die Dinge eine Rückseite zu haben pflegen, und dass eigenes
Denken immer an der Stelle ist.
München im November 1868.
Mohl.