Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

68 Die Volksschule. 
so haben es sich die Führer der gegenwärtigen Bemühungen in der katho- 
lischen Kirche lediglich selbst zuzuschreiben, wenn letzteres Uebel wenig- 
steus in der jetzigen Zeit als das entschieden wahrscheinlichere erscheint. 
Ueberdies ist die Einführung unsittlicher oder religionswidriger Bücher 
schon an sich kaum denkbar, da ja eine Oberschulbehörde sich zu einem 
solchen Frevel an der Jugend und zu einer solchen Pflichtvergessenheit 
hergeben müsste. In Betreff der Grösse des Schadens aßf der einen oder 
auf der anderen Seite aber kann auch kein Zweifel sein, dass einzelne 
naturwissenschaftliche Sätze oder geschichtliche Darstellungen, welche mit 
traditionellen Bibelauslegungen oder einer clericalen Auffassung der vater- 
ländischen Geschichte nicht vereinbar sein möchten, geringere Verwüstungen 
in den Köpfen und Gemüthern der Jugend anzurichten geeignet sind, als 
die Aufnöthigung von sinnlosem oder confessionell gehässigem Unterrichts- 
stoffe. Es kann also der betreffenden Forderung der Kirchengewalt, nach 
ihrem Gutfinden die sämmtlichen Lehrbücher und Lehrmittel der Volks- 
schule zu bestimmen, nicht zugestanden werden, und muss sie sich mit 
dem, ohnedem sich von selbst verstehendem, Begehren begnügen, dass die 
Oberschulbehörde vom Staate die bestimmte Weisung erhalte, äusserst vor- 
sichtig in der Wall der von ihr vorzuschreibenden weltlichen Lehrstoffe 
zu Sein. 
Wobl nahe verwandt, aber doch keineswegs gleichbedeutend mit der 
Gefahr eines inneren Widerspruches der materiellen T,ehrmittel mit kirch- 
lichen Lehren ist, viertens, die Möglichkeit, dass der von dem Schullehrer 
in weltlichen Gegenständen ertheilte mündliche Unterricht in einer nicht 
mit der kirchlichen Religions- und Sittenlehre übereinstimmenden Art er- 
theilt und dadurch ein Zwiespalt in dem Geiste der Schüler erzeugt werden 
könnte. Eine solche Möglichkeit ist an sich nicht zu läugnen; allein ge- 
nauer untersucht beschränkt doch sie sich auf ein geringes Maass, schon 
als Möglichkeit. Die Ilauptgegenstände dieser Art von Unterricht in der 
Volksschule sind Uebungen im Lesen, Schreiben und Rechnen, so wie 
deutsche Sprachlehre; also Fertigkeiten, welche an sich für die Religions- 
lehre ganz indifferent sind, und nur mit bewusster Absicht könnten sie in 
einem der Kirche feindlichen Sinne betrieben werden. Eher allerdings ist 
diess denkbar bei dem Unterrichte in Geschichte oder Naturlelire, wo ein 
solcher in besseren Schulen vorkömmt, so wie bei den Bemühungen, das 
Denkvermögen der Schüler zu entwickeln. Aber auch in diesen Beziehungen 
ist die Wirklichkeit eines solchen Verhaltens sehr unwahrscheinlich. Aus 
den bereits angegebenen Gründen wird sich ein Schullehrer, ganz seltene 
Fälle ausgenommen, wohl hüten, von der sicheren Linie abzuweichen und 
der Kirche gegründeten Anlass zu Missvergnügen zu geben; wenn es aber 
je geschieht, so ist eine Klage auf Abhülfe einer schleunigen Erledigung