§ 19. Das Vereinsrecht. 225
boten werden, ohne daß zu prüfen ist, ob tatsächlich eine Störung der
Sonntagsruhe herbeigeführt werden würde.
Die Genehmigung zu öffentlichen Aufzügen und Versamm-
lungen kann unter Bedingungen erteilt werden; diese Genehmi-
gungsbedingungen enthalten polizeiliche Verfügungen (OVG. 60
S. 321).
Die Genehmigung kann nachträglich zurückgenommen werden,
wenn die Polizei sie hätte verweigern können. Auf welchem Wege
die Polizei zu einer anderen Auffassung hinsichtlich des Aufzuges
gelangte, ob auf Grund neuer Tatsachen oder nochmaliger Erwä-
gungen, ist gleichgültig (OVG. 57 S. 324/25).
Zu §7 RWVG. hat das O#G. im 63. Bd. S. 279ff. ferner fol-
gende Grundsätze aufgestellt:
1. Sollen an einem Orte zwei Aufzüge, deren Teilnehmer in
einem so scharfen politischen Gegensatze stehen wie die Mitglieder
von Kriegervereinen und die Anhänger der sozialdemokratischen Partei,
zu derselben Zeit und unter Benutzung derselben Straßen stattfinden,
und ist ein Zusammentreffen beider Aufzüge nicht zu vermeiden, so
rechtfertigt sich die Annahme, daß eine Gefahr für die öffentliche Sicher-
heit zu befürchten ist.
2. Mehrere Anträge auf Genehmigung öffentlicher Aufzüge sind
insoweit als gleichberechtigt anzusehen und zu behandeln, als nicht
die Art, in der, oder der Zweck, zu dem die Aufzüge veranstaltet werden
sollten, an und für sich und unabhängig von anderweitigen Umständen
die Versagung der Genehmigung rechtfertigt.
3. Bei der Besorgnis, daß die gleichzeitige Abhaltung mehrerer
Aufzüge, für die gleichberechtigte Anträge vorliegen, die öffentliche
Sicherheit gefährden würde, liegt es der Polizeibehörde ob, entweder
im Wege der Verhandlung mit den Veranstaltern oder durch Aufer-
legung entsprechender Bedingungen in bezug auf Zeit und Ort die-
jenigen Maßnahmen zu treffen, welche den gleichberechtigten Inter-
essen der mehreren Veranstalter Rechnung zu tragen, zugleich aber
auch das öffentliche Interesse sicherzustellen geeignet sind.
Über das Tragen roter Fahnen bei öffentlichen Aufzügen
und deren Verbot führt das O. 66 S. 343ff. folgendes aus:
„Daß das Tragen und Entfalten einer roten Fahne und das Tragen
revolutionärer oder nationalpolnischer Abzeichen auf Grund der Bestimmung
in § 10 II 17 ALR. polizeilich verboten werden kann, wenn und soweit solche
Handlungen als eine Demonstration gegen die bestehende öffentliche Ordnung
u wirken bestimmt und geeignet sind, hat der Gerichtshof in Übereinstimmung
mit dem Kammergericht in ständiger Rechtsprechung anerkannt
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Herrschaft des RVG. vom
19. April 1908 bei der Veranstaltung eines öffentlichen Aufzuges geshzuhalten.
Mohn, Verwaltungsrecht. (Praktischer Teil.)