Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

228 Besonderer Teil. 
Natur sind, daß die Polizei auf ihre Handhabung nicht verzichten 
kann. Soll sie daher in den Stand gesetzt werden, ihrer Aufgabe in 
dem erforderlichen Maße gerecht zu werden, so kann ihre Entschlie- 
ßung durch eine Beschränkung irgendwelcher Art nicht eingeengt werden. 
Dementsprechend muß ihr auch die Befugnis, einem Aufzuge die Ge- 
nehmigung zu versagen, selbst dann zugesprochen werden, wenn sie 
die Genehmigung anfänglich erteilt hatte und erst später zu der Über- 
zeugung gelangt ist, daß der genehmigte Aufzug die öffentliche Sicher- 
heit zu gefährden geeignet ist und infolgedessen mit den von ihr zu 
schützenden öffentlichen Interessen nicht vereinbar ist. Dabei ist von 
der Zulässigkeit des Widerrufes die Frage zu trennen, ob der Wider- 
ruf sachlich begründet war. Dies hängt davon ab, ob zur Zeit des 
Widerrufes diejenigen tatsächlichen Voraussetzungen vorhanden waren, 
welche zur Versagung der Genehmigung berechtigt haben würden. 
Zu 88. 
Versammlungen in einem unüberdachten, aber rings umbauten 
oder ummauerten Hofe oder in einem Garten ist keine Versammlung 
i. S. des § 8, sondern eine solche unter freiem Himmel i. S. des 
8§7 (OVG. 56 S. 308 und 55 S. 277). Auch eine ausdrücklich in den 
Hof oder Garten eines Etablissements einberufene Versammlung bleibt 
eine solche unter freiem Himmel auch dann, wenn der Hof oder 
Garten ein Zubehör eines geschlossenen Raumes bildet (OVG. 66 
S. 333). 
Eine „Verlegung“ einer Versammlung i. S. des § 8 liegt nicht 
nur dann vor, wenn sie an dem einen Orte begonnen und an einem 
anderen fortgesetzt, sondern auch dann, wenn sie sogleich statt an 
dem ursprünglich in Aussicht genommenen Orte an einem anderen 
abgehalten wird. Dies ergibt sich aus Begriff und Sprachgebrauch 
(OV. 66 S. 332 ff.). 
Zu §9. 
Das Reden von Laien am Grabe macht nach K . Johow 38 
O/37 das Leichenbegängnis zu einem ungewöhnlichen. Es bedarf 
also der Anzeige. Auch eine kurze Erklärung „Im Namen der sozial- 
demokratischen Wähler des 4. Wahlkreises“ soll hierzu gehören; nicht 
aber die Worte: „Ruhe sanft!“ (Vgl. die Zitate bei Romen, Vereins- 
gesetz, 1912, S. 106). 
„Veranstalter“ eines ungewöhnlichen Leichenbegängnisses ist auch 
der, der ein gewöhnliches durch eine Rede, rote Fahne usw. zum un- 
gewöhnlichen macht (KG. in DJZ. 09 S. 328). 
Zu § 11. 
Auch Stöcke, Schirme usw. können „Waffen“ sein, nämlich dann, 
wenn sie nach dem Willen des Trägers im Einzelfalle zum Angriff be-
	        
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