Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 20. Gewerbe und Polizei. 263 
sich um die Einstellung des Betriebes der Fabrikanlage der Klägerin, d. h. um 
die Einstellung der Pulverfabrikation in dem Etablissement zu Aue nicht 
handele, schon deshalb, weil die eigene Darstellung der Klägerin ergibt, daß 
sie zur Fortsetzung des Betriebes in seiner Gesamtheit nur das Lagerhaus 
an eine von der Chaussee entferntere Stelle hat verlegen müssen.“1) 
§51 GewO. liegt aber nicht vor, wenn ein Gewerbebetrieb, dessen 
Eröffnung gestattet worden ist, nachträglich deshalb untersagt wird, 
weil er nach baupolizeilichen Vorschriften an der gewählten Stelle 
nicht hätte gestattet werden dürfen. So R. 50 S. 4 ff. zu folgen- 
dem Rechtsfall: 
„In dem sächsischen Dorf C. bestand seit 1894 eine Ortsbauordnung, in 
welcher in § 26 bestimmt war, daß in gewissen in dem Bebauungsplane vor- 
gesehenen Straßen nur villenartige Gebäude nebst den dazugehörigen Neben- 
gebäuden errichtet werden dürfen. Die Kläger erwarben im Jahre 1895 ein 
Grundstück an einer dieser Straßen und errichteten darauf zwei Gebäude, dic 
nach ihrer äußeren Gestaltung der erwähnten Vorschrift entsprachen; es 
wurden auch die Bauzeichnungen von der Baupolizeibehörde — Amtshaupt- 
mannschaft Pirna — genehmigt. In dem einen der Gebäude richteten die 
Kläger eine Kehlleistenfabrik ein, bei der sie außer anderen Maschinen eine 
Kehlhobelmaschine und eine Kreissäge, die durch Elektrizität getrieben wur- 
den, verwendeten; sie meldeten auch ihre Absicht, die Kehlleistenfabrikation 
zu betreiben, vor Eröffnung des Betriebes bei der Gewerbepolizeibehörde an. 
Das starke Geräusch, das durch die gebrauchten Maschinen verursacht wurde, 
und der durch die Feuerungsanlagen erzeugte Rauch veranlaßten mehrere 
Nachbarn zu Beschwerden bei der Amtshauptmannschaft; die von dieser ge- 
troffenen Anordnungen vermochten indes die Belästigung der Nachbarn nicht 
genügend zu beseitigen. Diese verlangten deshalb schließlich, unter der Be- 
hauptung, daß die ganze Anlage gegen § 26 der Ortsbauordnung verstoße, 
die Untersagung des Betriebes. Die Amtshauptmannschaft gab diesem An- 
trage jedoch nicht statt, und die Kreishauptmannschaft Dresden, deren Ent- 
scheidung von den Nachbarn angerufen wurde, entschied in gleichem Sinne, 
wobei sie aussprach, aus § 26 der Ortsbauordnung sei nicht zu entnehmen, 
daß auf dem davon betroffenen Terrain in äußerlich villenähnlichen Ge- 
bäuden Gewerbe der in Frage stehenden Art nicht betrieben werden dürften. 
Die belästigten Nachbarn wandten sich darauf an das sächsische Ministerium 
des Innern, und dieses entschied dahin, es hätte die Genehmigung zum Be- 
triebe der Fabrik nach § 26 der Ortsbauordnung nicht erteilt werden dürfen, 
da die dort getroffene Bestimmung dahin zu verstehen sei, daß in dem be- 
treffenden Ortsteile nur Gebäude errichtet werden dürften, die nicht bloß 
nach ihrer Gestaltung und Größe, sondern auch nach der Art ihrer Benutzung 
den Charakter des Ortsteiles als einer Garten- und Gartenhausanlage, der 
ihm habe gewahrt bleiben sollen, nicht beeinträchtigten. Infolge dieser Ent- 
scheidung wurde der Weiterbetrieb der Fabrik von der Amtshauptmannschaft 
untersagt. 
Die Kläger erhoben infolgedessen Anspruch auf Schadensersatz gegen den 
sächsischen Staatsfiskus, wobei sie sich in erster Instanz allein auf 850 
GewO., in zweiter Instanz aber zugleich darauf beriefen, daß nach den in- 
soweit bestehenden Landesgesetzen die Entscheidung der Kreishauptmann- 
schaft Dresden eine endgültige, das Ministerium des Inneren also nicht zu- 
1) Vgl. auch RE#Z. 80 S. 303.
	        
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