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nachforschte, befahl nicht allein den Weiterbau, sondern ordnete auch
an, daß in dieser Gegend eine Stadt gegruͤndet werden solle. — So
ward abermals ein geringer Umstand und ein unbedeutender Mann
Ursache zu großer Wirkung.
28. October.
Grat Heinrich von Brühl Stirbt.
Ein Mann, der in der Regentengeschichte Friedrich August's
II. und in den Erzählungen aus dem siebenjährigen Kriege schon
oft erwähnt worden ist, muß heute, wo sein Todestag ist, näher be-
zeichnet werden, Graf von Brühl. Das war der Mann, der einst
Alles in Allem galt und war in unserm Lande. Er war zugleich
Obersteuerdirector und Präsident der Kammer, Conferenz= und Ca-
binetsminister, Generalaccisdirector, Generalfeldzeugmeister: kurz,
alle hohen Aemter wußte er nach und nach zu erlangen, behielt aber
jedesmal die früher gehabten auch noch bei. So brachte er es
jährlich zu einem Einkommen von drei und funfzigtausend Thalern,
ohne das zu rechnen, was er durch Bestechungen und auf andern,
unerlaubten Wegen erlangte. Er war in Polen Katholik und in
Sachsen Protestant; er hielt es anfangs mit Friedrich dem Großen,
dann nach erhaltenen Geldern und Gütern mit den Oestreichern; er
beredete den Kurfürsten erst zum Bundnisse mit Preußen, dann zur
Anschließung an Preußens Feinde. Kurz, er wurde durch seine Um-
lagerung des guten Kurfürsten, der die Stimme der Unterthanen nicht
hören durfte, durch seine elenden Staatskunstgriffe und sein ewig
geldgieriges Regiment der Urheber namenlosen Verderbens. Er er-
fand neue Steuern, oder erhöhte die alten; er zog alle Mündel= und
Depositengelder ein und gab den armen Waisen kaum mehr giltige
Scheine dafür; er bezahlte zwei und zwanzig Monate lang keine
Gehalte an die Staatsdiener und noch längere Zeit nichts an die
Soldaten; er ließ jeden, der über die himmelschreienden Ungerechkig-
keiten klagte, in die bald überfüllten Gefängnisse schleppen;z er hielt
geheime Spione im Volke und Brieföffnungsanstalten, und er um-
stellte den gutmüthigen Kurfürsten so mit seinen Creaturen, daß sich
selbst auf dem Kirchgange Niemand ihm nahen durfte. Brühl,
dieser ärgste Feind Friedrich's des Großen, zog hauptsächlich das Un-
glück des zweiten und dritten schlesischen Krieges über Sachsens
Haupt. Aber er blieb ewig ruhig bei allem Elendz er verschwelgte
jährlich eine Million und suchte immer noch mehr zu erpressen;
er lebte mit nie gesehener, sinnloser Pracht in Dresden oder Warschau