Der Inhaber der Kommandogewalt. 59
IV. Der Inhaber der Kommandogewalt.
1. Begriff und Wesen der Kommandogewalt.
Wir haben die militärische Vollzugsgewalt in Regierungsgewalt und
Kommandogewalt geteilt und verstehen unter „Kommandogewalt"“
den auf die Zwecktätigkeit des Heeres bezüglichen Teil der militärischen
Vollzugsgewalt. „Zwecktätigkeit des Heeres“ nennen wir diejenige
Heerestätigkeit, die in der Ausübung des Waffenhandwerkes besteht, und
die entweder zur Erlernung des Waffenhandwerkes, zur Ausbildung und
Vervollkommnung in demselben dient oder unter Entfaltung von Waffen-
gewalt zur Vernichtung äußerer und innerer Feinde des Staates vor-
genommen wird. Gegenstand der Kommandogewalt ist danach jegliche
Tätigkeit des Heeres zu Ausbildungs-, Kriegs= und Polizeizwecken.
Die Kommandogewalt ist nun insofern besonders geartet, als das
in ihr enthaltene Befehlsrecht, das die Zwecktätigkeit des Heeres aus-
löst und leitet, einen besonderen, dasselbe von allen anderen staatlichen
Befehls= und Hoheitsrechten unterscheidenden, Charakter an sich trägt.
Diesen besonderen Charakter zeigen auch die aus diesem Befehlsrecht
sich herleitenden Befehle, die sogenannten militärischen Befehles, zu
welchen z. B. die Armeebefehle, Divisionsbefehle, Regimentebefehle,
Bataillonsbefehle, die Befehle des Kompagnieführers, des ausbildenden
Gefreiten, wie auch die Exerzierreglements, die Felddienstordnungen,
Wachvorschriften und Schießinstruktionen gehören.
Die Eigentümlichkeit des militärischen Befehlsrechtes besteht einmal
darin, daß es nicht wie das übrige Verwaltungsbefehlsrecht durch Ge-
setze normiert und in bestimmten Schranken gehalten wird; es gibt.
keine Militärgesetze, die dieses Befehlsrecht zu berücksichtigen hätte.
Denn die Zwecktätigkeit des Heeres, die durch die militärischen Befehle
bestimmt und geleitet wird, ist nach den jeweiligen dem Heere zu-
geteilten Aufgaben, nach den jeweiligen Verhältnissen verschieden; sie
kann also nicht durch Gesetz festgelegt sein.
Aber nicht nur materiell, auch formell ist das militärische Befehls-
recht unbeschränkt. Die militärischen Befehle müssen schnell gegeben
1 Ahnlich: Meyer, V.R. II, 35, 40, 55; Hänel 472; Bornhak 39.
2 Näheres darüber s. u. S. 64—67.
3 Vgl. Hecker in v. Stengels Wörterb. I, 145; Hänel 473.