D. Verordnungsrecht der komm. Generale auf Grund des 8 9b. 75
und Sicherheit des Staates über die Verfassung hinwegsetzen
dürfen. Ein solches Staatsnotrecht besteht jedoch im heutigen
Derfassungsstaate nach der herrschenden und allein richtigen
Lehre nicht 18). Es besteht auch kein Knlaß, es dem Militärbefehls=
haber einzuräumen. Ebenso verhält es sich mit dem Grundrechte
der Polizei, das dem Militärbefehlshaber nach Lehmann a. a. G.
im Salle eines dringenden, unmittelbaren Notstandes die Be-
fugnis zu sonst nicht zugelassenen Eingriffen in die Hreiheit und
Rechtssphäre der Bürger gibt. Dieses Grundrecht der Dolizei
wird von der herrschenden Staatsrechtslehre nicht anerkannt.
Man kann auch ohne diese Notrechte auskommen. Selbst nach
v. Delargus, der dem Militärbefehlshaber auf Grund des § 4
B36. in Derbindung mit Hrt. 63 Pprdl. sehr weitgehende Be-
fugnisse zuspricht, bildet die Derfassung auf jeden Fall eine Schranke
für die Knordnungen des Militärbefehlshabers.
Bei den vorstehenden Kusführungen über die Gebundenheit
der Militärbefehlshaber an die Derfassung ist aber immer zu
berücksichtigen, daß die Militärbefehlshaber gemäß § 5 B56.
die Befugnis besitzen, die Hrt. 5, 6, 7, 27, 28, 20, 30 und 36 Drd U.
bzw. die entsprechenden Hrtikel der betreffenden einzelstaatlichen
Derfassung und die an ihre Stelle tretenden Reichsgesetze oder
einzelne derselben zeit= oder distriktweise außer Kurs zu setzen 19).
Machen die Militärbefehlshaber von dieser Befugnis Gebrauch,
so sind sie selbstredend auch auf Grund des § ob imstande, Der-
fassungsgarantien außer Kraft zu setzen.
18) Dgl. Laband II S. 80 ff.; dagegen Otto Mauer 1 S. 11.
19) Dgl. unten S. 95 ff. Uunsich setzt der Erlaß von Derboten aus
§ ob nicht die Suspension von Derfassungsartikeln bzw. Reichsgesetzen
voraus. Siehe Rö. v. 22. 10. 1915 (Conrad S. 30).