Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

g 22. Der Staatenbund. 95 
  
nationalen Politik) nur die Kraft einer engeren völkerrechtlichen Ver- 
einigung in der Gestalt eines Staatenbundes; dieser erscheint dann für die 
beteiligten Staaten gleichsam als der minimale Ausdruck aktueller Einheits- 
bestrebungen und Einheitsbedingungen. In der Tat bildet der Staatenbund in 
der Geschichte der Staaten, die diese Form der Vereinigung verwertet haben '!), 
nur eine Phase der Entwicklung zu engerer staatlicher (bundesstaatlicher) 
Vereinigung. 2) 
UI. Die Grundlage des Staatenbundes ist der Bundesvertrag souveräner 
Staaten). Zweck und Inhalt dieses Vertrages schließen die Konstituierung 
einer über den Einzelstaaten stehenden Staatsgewalt, welche kraft eigener 
Hoheit herrscht und mit eigener Kompetenz ausgestattet den Einzelstaaten 
nur ein bestimmtes Maß eigener staatlicher Kompetenz offen ließe, aus. Im 
Staatenbund ist zufolge des auch für den Fortbestand des Bundes ausschließ- 
lich maßgebenden Vertragsverhältnisses der Einzelstaaten die Abänderung, 
Aufhebung und der einseitige Austritt des einzelnen Staates nicht ausge- 
schlossen *). In der durch die Organisation des Bundes geschaffenen Zentral- 
gewalt (Bundesgewalt) besteht nur eine Kollegialgewalt, die auf gewisse im 
Bundesvertrage benannte Zwecke beschränkt ist. Ist also das Bundesorgan 
nicht selbst Träger eines eigenen Herrschaftswillens5), sondern nur darauf 
beschränkt, den gemeinsamen Willen der Einzelstaaten (und zwar auch dann, 
wenn die Bildung betreffender Willensakte durch Majoritätsbeschlüsse zustande 
kommt) zu betätigen, so kann es seine kompetenzmäßige Wirksamkeit nur 
  
1) Abgesehen von Beispielen des Staatenbundes in älterer Zeit kommen für die neuere 
politische Entwicklung in Europa und Amerika in Betracht: die Vereinigten Niederlande 
(1580—1793), die erste Union der Vereinigten Staaten von Nordamerika (1781—1757), die 
schweizerische Eidgenossenschaft vor 1798, sodann von 1815—1849, der Rheinbund (1806 bis 
1813), der deutsche Bund (1815—1866). Bezüglich der deutschen Staaten hatte schun Art. 6 
des Pariser Vertrages v. J. 1814 bestimmt, daß sie unabhängig und durch cin füderatives Band 
verbunden sein sollen. 
2) Unter monarchischen Staaten hat das System des Staatenbundes nie auf die Dauer 
befriedigt; entweder entsteht darin ein Gravitationssystem, wenn unter vielen kleinen zwei 
große Staaten sich befinden, oder es führt zum Prinzipatsystem, wenn nur ein großer Staat 
vorhanden ist und dies drängt, wenn die Nationalität dieselbe ist, zum Einheitsstaat. Selbst 
bei den Republiken beobachtet man ein Schwanken: wo die Bundesstaatsidee prävaliert, d. h. 
die Zentralgewalt stark organisiert ist, tritt langsam ein Streben nach größerer Selbständigkeit 
der Einzelstaaten hervor; überwiegt die Idee des Staatenbundes, so zeigt sich bald cin Streben 
nach größerer Stärkung der Zentralgewalt. 
3) v. Mohl, Enzyklop. S.44, 465; Laband, H, 8. 15ff.; Jellinek, Staatenverbin- 
dungen S. 178ff. 
4) Im Gegensatze zu Allianzen werden Staatenbünde allerdings als dauernde Verbin- 
dungen (ewige Institutionen) geschlossen. Indessen der Charakter des Staatenbundes als ver- 
tragsmäßige Institution läßt die Verbindung doch nur in relativem Sinne als eine dauernde 
erscheinen. Vgl. übrigens Jellinek, Staatenverbindungen S. 174 ff. 
5) A. M. in neuerer Zeit v. Martitz, Betrachtungen über die Verfassung des nordd. 
Bundes S. 1; Hänel, Vertragsmäßige Elemente 8.43; Brie, Der Bundesstaat 8. 60; 
(4. Meyer, Lehrbuch (4. Aufl.) S. 33: (Der Staatenbund) „ist nicht bloß ein völker- 
rechtliches und privatrechtliches, sondern auch ein staatsrechtliches 
Rechtssubjekt.* — Siehe dagegen Laband a a. O., Jellinek, Staatenverbindungen 
S. 177 Sf.
	        
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