Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 27. Neutralisierte Staaten, neutralisierte sonstige Gebiete. 115 
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V. Auf einem Vertrage beruhend hat das Neutralitätsverhältnis an sich 
nur für die Kontrahenten rechtliche Wirksamkeit. Indessen gelten die durch 
betreffende Verträge der Mächte bezüglich der hier in Frage stehenden Staaten 
geschaffenen Verhältnisse auch für jene Mächte, die nicht formell an dem Ver- 
trage beteiligt sind, als ein dauernder Bestandteil der internationalen Ordnung, 
sodaß die Neutralisierung von Staaten gewissermaßen als ein Institut des inter- 
nationalen Rechts aufgefaßt werden kann. Im ganzen ist daher der Schluß zu 
ziehen, daß die Verletzung der Neutralität seitens eines der garantierenden Kon- 
trahenten die übrigen von der Verpflichtung, den im allgemeinen Interesse ge- 
schaffenen Zustand anzuerkennen und zu schützen, nicht befreien kann.!) Be- 
züglich der an dem Akte der Neutralisierung nicht beteiligten Staaten ist 
aber vorauszusetzen, daß sie auf Grund erfolgter Notifikationen Gelegenheit 
hatten, ihren Widerspruch geltend zu machen. 2) 
VI. Neutralisierungen von Staaten kommen erst in der neueren Ge- 
schichte vor. Als die ersten Fälle werden die Neutralisierung der Sch wei- 
zerischen Eidgenossenschaft und Krakaus durch die Beschlüsse des 
Wiener Kongresses vom Jahre 1815 bezeichnet.?) Als älterer Versuch einer 
Neutralisierung wird das Projekt‘) Kaiser Leopold’s II. bezüglich Polens und 
der Beschluß des Deutschen Reichstags (infolge des Friedens von Luneville 
vom 25. Februar 1803) bezüglich der reichsunmittelbaren Städte Augsburg, 
Lübeck, Nürnberg, Frankfurt a. M., Bremen und Hamburg als eine Neutrali- 
sierung dieser Städte aufgefaßt.°) Eine wirkliche Neutralisierung vor dem 
Jahre 1815, die aber nicht ins Leben trat, erfolgte durch den am 27. März 
18029) zwischen England einerseits und Frankreich und dessen Alliierten 
anderseits abgeschlossenen Vertrag; Art. 10 dieses Vertrages restituiert dem Jo- 
hanniterorden die Insel Malta und proklamiert deren bleibende Neutralität. ?) 
Die Schweiz?°) befand sich seit der Anerkennung ihrer Selbständigkeit 
im Westphälischen Frieden (1648) tatsächlich (mit Ausnahme der Vorgänge 
im Jahre 1709) in der Stellung eines neutralisierten Staates. Die offizielle 
Erklärung der Neutralität erfolgte seitens der acht Mächte am Wiener Koı- 
  
1) Fall der Verletzung der Neutralität Luxemburgs im deutsch - französischen Kriege. 
2) Vgl. v. Liszt $6 lll vgl. $ 20, DO, 3; Oppenheim $ 96. 
3) Durch den Wiener Vertrag vom 9. Juni 1815 wurde die Neutralität Krakaus und 
die Garantie der drei Ostmächte: Österreich, Preußen, Rußland stipuliert. 
4) Dieses angebliche Neutralisierungsprojekt ist in einem geheimen Artikel des Vertrags 
mit Preußen vom 25. Juli 1791 (Martens, Reccueil V, p. 238; F. de Martens, Recueil des 
trait6s.... conclus par la Russie II p. 196, enthalten. 
5) So Milovanowich, Les traites de garantie au XIX. siecle p. 25. — Siehe dagegen 
Morand |. c. p. 525, der in dem Projekte des Kaisers Leopold Il. lediglich ein Garantie- 
projekt erblickt. Auch die durch obigen Reichstagsbeschluß geschaffene Stellung der ge- 
nannten Reichsstädte, welche nach wie vor Glieder des Reiches verblieben, ist kein walıres 
Neutralitätsverhältnis, sondern nur eine Äutorisation zu passivem Verhalten ın eventuellen 
Kriegen des Reiches (l. c. p. 527). 
6) Martens, Recueil VII p. 409. 
7) Auf diesen Vorgang macht Morand in der zitierten Abhandlung $. 525 sq. 
aufmerksam. 
s) S. im ganzen Schweizer, Geschichte der schweiz. Neutralität (1595). 
Sr
	        
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