120 Zweites Buch. Die Subjekte des Völkerrechts. 8 23.
Rechte des Staats (so in Frankreich 1682) beteiligte. So wenig es der Kirche
gelingen konnte, dem modernen Staate gegenüber die geistliche Oberhoheit
zu praktischer Geltung zu bringen, so wenig gelang es, die aus der engen
Verbindung der weltlichen Macht des Papstes mit der geistlichen deduzierte
Pflicht der katholischen Mächte zur Intervention im Interesse der Erhaltung
der weltlichen Macht sicherzustellen. Die katholischen Mächte waren zwar
mehrfach durch Intervention für die weltliche Macht des Papstes eingetreten;
allein nicht immer war es das Motiv der rechtlichen Pflicht, welches die Inter-
vention veranlaßte, sondern vielfach waren es politische Interessen, auch wolıl
politische Rivalitäten. Dies gilt insbesondere von jenen Interventionen, welche
im Laufe des 19. Jahrhunderts zu Okkupationen Roms im Interesse des Kirchen-
staates geführt hatten. Aus Anlaß der Revolution im Jahre 1830 hatte die
Kurie unter Berufung auf die Pflicht der katholischen Mächte zur Inter-
vention den Schutz Österreichs gegen die revolutionäre Partei in Anspruch
genommen; der Okkupation des Kirchenstaates durch die österreichische Armee
folgte indessen sofort die Okkupation von Ancona durch die Franzosen, um
die Wirkung der österreichischen Okkupation abzuschwächen. Im Jahre 1849
intervenierte Frankreich in Verbindung mit Österreich, Spanien und dem
Königreich beider Sizilien zum Zwecke der Unterdrückung der römischen Re-
publik und Wiedereinsetzung Pius IX. auf den päpstlichen Thron. Die fran-
zösische Okkupation schien den Zweck zu haben, dem heiligen Vater die
weltliche Herrschaft zu erhalten; dasselbe Frankreich vertrat aber bezüglich
der politischen Gestaltung der Verhältnisse in Italien das sog. Nationalitäten-
prinzip gegen die Geltung historischer Titel des Besitzstandes der bestehenden
Staaten und Dynastien. Nach der Verdrängung Österreichs aus Italien war
das Schicksal des Kirchenstaates dem weiteren Verhalten Frankreichs anheim-
gegeben. Mit dem Sturze des Trägers jener zweideutigen Politik, welche die
sukzessiven Gebietsverluste des Kirchenstaates gefördert hatte, fiel das letzte
Hindernis der italienischen Freiheitsbestrebungen. Nach dem Rückzuge der
französischen Truppen bemächtigte sich das Königreich Italien Roms. Der
Vorgang führte zu keinerlei Protesten seitens der Mächte; auch die katho-
lischen Mächte verhielten sich passiv.
Die oben betonte kirchliche Auffassung der Bedeutung der weltlichen
Herrschaft des Papstes für die Freiheit und Unabhängigkeit der geistlichen
Gewalt blieb der maßgebende Gesichtspunkt der Kurie in den Verhandlungen,
welche zum Zwecke der Anbahnung einer friedlichen Verständigung über die
Stellung des Papsttums mit dem Königreich Italien voraufgegangen waren. !)
Umso weniger konnte eine friedliche Auseinandersetzung nach der Okkupation
1) Es wurden 1560 durch Pantaleoni auf Grund eines von diesem ausgearbeiteten
Memorandums Verhandlungen eingeleitet. Am 10. Januar 1861 hatte Kardinal Santucci das
Memorandum, das in der Hauptsache die Grundzüge des späteren italienischen Garantie-
gesetzes enthielt, übergeben. Die Verhandlungen waren infolge des Einflusses des Kardinals
Antonelli olıne Erfolg. Ebenso blieben ohne Erfulg alle späteren Versuche. Vgl. Geffeken,
HH 1I S. 164 ff.