Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 28. Die völkerrechtliche Stellung des heiligen Stuhles. 121 
  
Roms erreicht werden. !) Ebensowenig konnte eine Regelung der Angelegen- 
heit durch internationalen Vertrag erfolgen, da auf diesem Wege der neue 
Zustand eine internationale Sanktion gefunden hätte, welche die Kurie nicht 
akzeptieren konnte, und die Vertragsmächte die Garantie für die Ausführung 
des Vertrages hätten übernehmen müssen. So blieb der italienischen Re- 
gierung nur der Weg offen, durch einen einseitigen Akt der Gesetzgebung 
ihr Versprechen?), die Unabhängigkeit des heiligen Stuhles verbürgen zu 
wollen, einzulösen. Die Aufgabe, die zu lösen war, und der Vorgang, der die 
Lösung verbürgen sollte, waren singulärer Natur; in materieller Beziehung 
mußte der gewünschte Erfolg im Hinblick auf den kaum auszugleichenden 
Gegensatz des Standpunkts der Kurie und der italienischen Regierung durch- 
aus problematisch erscheinen. Unterm 13. Mai 1871 wurde das Gesetz delle 
prerogative del Sommo Pontifice e della Santa Sede, e sulle relazioni del Stato 
colla Chiesa — das sog. Garantiegesetz — erlassen. Das Gesetz ist als 
Verfassungsgesetz promulgiert.?) Die Person des Papstes ist heilig und un- 
verletzlich; dem Papste gebühren im Gebiete des Königreiches seitens der 
italienischen Regierung alle Ehrenbezeugungen, welche Souveränen zukommen, 
ebenso der Ehrenvorrang vor allen anderen katholischen Fürsten; der Papst 
hat das Recht, die bisher übliche Zahl von Garden als Leibwache und für 
die Bewachung seiner Paläste zu halten. Zufolge seiner persönlichen Unver- 
letzlichkeit ist auch sein Wohnsitz und jede Örtlichkeit, wo er sich zeitweilig 
aufhält, unverletzlich; kein staatlicher Funktionär hat ohne Ermächtigung des 
Papstes Zutritt zu diesen Örtlichkeiten. Die Einräumung der Exterritorialität 
mußte erfolgen, sollte dem Papste die volle Unabhängigkeit der Ausübung 
seines geistlichen Amtes gesichert werden. Diese Privilegien sind auch an- 
erkannt bezüglich des Konklave im Falle der Sedisvakanz und der für die 
Versammlung eines (ökumenischen) Konzils bestimmten Räumlichkeit. Die Un- 
verletzlichkeit erstreckt sich auch auf die Organe des Papstes, die mit der 
Vollziehung der Akte des kirchlichen Regiments betraut sind, selbst wenn 
sie nicht innerhalb des Vatikans ihren Amtssitz haben. Der Sicherung der 
geistlichen Wirksamkeit des Papstes und seiner Organe dient insbesondere 
auch $ 10 Abs. 2 des Gesetzes, wonach jeder Ausländer, der ein geistliches 
Amt in Rom bekleidet, alle persönlichen Garantien genießen soll, die den 
italienischen Staatsbürgern zugesichert sind. Als Garantie der freien Aus- 
übung des geistlichen Amtes außerlialb Roms erscheint ($ 12) die volle Frei- 
heit der Korrespondenz mit dem Episkopat und der ganzen katholischen 
  
'1) Dem Zirkularschreiben des Ministers Visconti-Venosta vom 29. August 1570 
folgte am 18. Oktober 1870 ein Rundschreiben, welches das Versprechen enthielt, alle Bürg- 
schaft leisten zu wollen, um die Unabhängigkeit des heiligen Vaters zu sichern. — Aller- 
dings waren dies nur einseitige Zugeständnisse, wie Kardinal Antonelli in seinem Rund- 
schreiben vom 8. November 1870 (Staatsarchiv XXI Nr. 4330) mit Recht hervorhob. 
2, Zirkularschreiben vom 18. Oktober 1870. 
3) & 19 normiert die absolute Wirksamkeit des Gesetzes, indem in allen Angelegenheiten. 
welche Gegenstand des Garanticgesetzes sind, die Rechtskraft jeder noch gültigen Anordnung 
aufhört, sofern sie dem Garantiegesetze widerstreitet.
	        
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