166 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. $ 45.
Gebrauch machen würden !). Eine eigenartige Bedeutung gewinnt das passive
Gesandschaftsrecht auf Grund der Verträge, welche europäische Staaten mit
orientalischen, insbesondere ostasiatischen Staaten abgeschlossen haben. Diese
Staaten sind durch betreffende Freundschafts- und Handelsverträge?) ver-
pflichtet worden, Gesandte zu empfangen. — Motivierte Ablehnung des
Empfangs fremder Gesandten läge unter anderem vor, wenn der absendende
Staat für seinen Vertreter ein größeres Maß von Rechten, als das Völkerrecht
fremden Gesandten überhaupt zugesteht, oder eine Stellung in Anspruch
nehmen wollte, welche mit der Verfassung und Gesetzgebung des Empfangs-
staates in Widerspruch steht?). Motiviert ist auch die Ablelınung einer per-
sona ingrata und solcher Gesandten, die Untertanen des Empfangsstaates
sind®). — Im übrigen gilt der Grundsatz, daß durch Absendung eines Ge-
sandten die Bereitwilligkeit, einen Gesandten des Empfangsstaates anzu-
nehmen, erklärt wird.
Halbsouveräne Staaten haben das subjektive Gesandtschaftsrecht nur
dann, wenn ilınen die Stellung zum Suzerän bezüglich der Wahrung
ihrer Interessen nach außen (durch Vertrag, Gesetz, Übung) das entsprechende
Maß freier Bewegung, insbesondere das Recht, Verträge mit anderen Staaten
abzuschließen, offen läßt. So ist Egypten und Bulgarien zur Wahrnehmung
ihrer wirtschaftlicher Interessen das Vertragsrecht eingeräumt (s. oben S. 104 ff.)
und steht ihnen auch das Recht zu, zu diesem Zwecke diplomatische Agenten
‚u senden und zu empfangen5). Was insbesondere die unter dem Protek-
1) Retorsionsmaßregeln und Isolierung des Staates wären die nächsten praktischen
Folgen solchen Verhaltens.
2) Derlei Verträge wurden in der neueren Zeit (seit 1854 — Vertrag von Kanagawa)
mehrfach abgeschlossen. So z.B. der Vertrag zwischen dem deutschen Zollverein, Bremen.
Lübeck, beiden Mecklenburg einerseits und China anderseits vom 2. September 1861, der
Vertrag des Norddeutschen Bundes mit Japan vom 20. Februar 1569, dor Vertrag
zwischen Österreich und China vom 2. September 1569 (Peking). Vgl. nähere Mitteilungen
bei Rivier, Lehrbuch $ 35 und Principes I p. 335 sq.
3) Unter den letzteren Gesichtspunkt fällt die Ablehnung päpstlicher Nuntien seitens
nicht katholischer Mächte. Vgl. Hartmann S. 88. — Unter diesen Gesichtspunkt fällt übrigens
auch in katholischen Staaten im Hinblick auf deren Verfassung mitunter das Vorgehen der
Nuntien des heiligen Stuhles, welches dann Anlaß zu Reklamationen geben kann. So z.B. der
Zwischenfall in Frankreich (Mai 1894); der päpstliche Nuntius batte in Paris an die franzö-
sischen Bischöfe eine konfidentielle Note über deren Verhalten gegenüber der neuen franzö-
sischen Arbeiterschutzgebung direkt gerichtet. In Beantwortung einer Interpellation hatte
Casimir Pörier den Standpunkt des französischen Rechts betont und bemerkt, que lo nonce
ne pouvait communiquer direcetement avce le clerg6, sauf dans un seul cas... — Revue
g@nCrale de dr. intern Ip. 457 sy. Ein anderer Standpunkt wird in der Note des päpstlichen
Unterstaatssekretärs vom 13. April 1835 an den Nuntius in Madrid eingenommen: die Mission
der Nuntien sei keine bloß diplomatische; sie hätte ı in Glaubens- und religiösen Angelegen-
heiten bezüglich der Gläubigen gleichfalls eine Autorität (l. c. p. 489 Note 1).
4) Über andere Gründe der Ablehnung siche F. v. Martens II S. 29 ff.
5) Auf Grund des Friedens von Kudschuk-Kainardschi vom Jahre 1774 hatten die
Fürstentümer Moldau und Wallachei das Recht, diplomatische Agenten bei fremden Höfen
zu bestellen. — In Bulgarien sind einzelne Mächte durch Generalkonsulen und diplomatische
Agenten (ohne diplomatischen Charakter) vertreten. Im Jahre 1675 war in Belgrad ein Rang-
streit zwischen dem französischen „Generalkonsul und diplomatischen Agenten“ Debains