Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 46. Arten und Klassen der diplomatischen Agenten. 169 
  
schaftsverhältnisse entstanden sind und diesen die völkerrechtliche Aner- 
kennung füglich nicht versagt werden kann, tritt ein neues Subjekt des Ge- 
sandtschaftsrechts bezw. ein neues Organ der Ausübung!) dieses Rechts in die 
Staatengemeinschaft ein. Personen, die von dem Prätendenten oder der revo- 
lutionären Partei u. s. w. vor Schaffung einer neuen und voraussichtlich 
stabilen Sachlage an auswärtige Staaten gesendet werden, sind daher nicht 
als Gesandte zu behandeln?2). Hat eine Regierung den Abgeordneten einer 
faktisch bestehenden fremden Regierung angenommen, so kann sie nicht auch 
zugleich den Gesandten der -depossedierten, wenngleich legitimen, Regierung 
annehmen). Gegenüber jenen Mächten, die den neuen Zustand nicht aner- 
kennen, behält der depossedierte Fürst das Recht der diplomatischen Vertre- 
tung. Fürsten, die dem Throne entsagen, verlieren das Gesandtschaftsrecht. 
IV. Das päpstliche Gesandtschaftsrecht wird trotz der Einverleibung 
des Kirchenstaats in das Königreich Italien anerkannt und tatsächlich geübt °). 
V. Derzeit ist es Regel, daß sich ein Staat nur durch einen Gesandten 
auswärts vertreten läßt. Werden ausnahmsweise zu einem Kongreß oder 
einer Konferenz mehrere Repräsentanten bevollmächtigt, so pflegt einer der- 
selben als erster Bevollmächtigter bezeichnet zu sein’). 
VI. Zuweilen wird ein Gesandter bei mehreren Höfen beglaubigt ®); fer- 
ner lassen sich mehrere Staaten durch einen und denselben Repräsentanten 
bei einem anderen Staate vertreten; endlich kommt es vor, daß der bestellte 
Vertreter einer Macht die Vertretung einer anderen übernimmt. 
$ 46. Arten und Klassen der diplomatischen Agenten’). I. Die Ver- 
tretung des Staates bei auswärtigen Mächten dient entweder geschäftlichen 
  
1) So hatte Mazarin die Gesandten Cromwell’s angenommen. 
2) Während des nordamerikanischen Sezessionskrieges wurden von einem Kreuzer der 
Unionsregierung auf dem englischen Schiffe „Trent* zwei Persönlichkeiten — Mason und 
Slidel —, welche sich als Gesandte der Südstaaten ausgaben, angehalten. Diesen Persönlich- 
keiten fehlte jedoch der diplomatische Charakter, da die südstaatliche Regierung nicht als 
Regierung eines selbständigen Staates von anderen Mächten anerkannt war und der Kampf 
auch nicht zu Gunsten der Sezessionisten entschieden wurde. Vgl. Marquardsen, Der 
Trentfall (1862) S. TIff.; Geffeken, HH III S. 624ff. 
3) So hat die englische Regierung nach Anerkennung des Königreichs Italien den Ge- 
sandten des Königs von Neapel nicht mehr als solchen anerkannt. — Über das eigenartige 
Auskunftsmittel, welches bezüglich der Anwesenheit eines Vertreters des Königs von Italien 
und des Königs von Neapel bei der Krönung des Königs von Preußen (1861) gewählt wurde 
siehe Geffcken, H H IH 8. 620. 
4) Näheres s. bei Hübler, Magistraturen 21, 22, 23. 
5) Beispiele der Bestellung mehrerer Gesandten insbesondere aus der russischen Praxis 
bei F. v. Martens DIS. 31. 
6) So ist z. B. seitens Belgiens ein Gesandter für München, Stuttgart, Karlsruhe und 
Dresden bestellt. Österreich-Ungarn hatte bis in die neuere Zelt einen einzigen Ge- 
sandten für China, Japan und Siam. 
7) Phillimore II, 88 211 sq.; Travers Twiss I, $$ 204 sq.; Oppenheim |, 
$$ 363 sg ; Heffter-Geffeken 88 208; Geffeken, HH III, 655ff.; Bonfils No $ 667 sq.; 
Pradier-Fodeöre, IL 88 1277 sq.; Rivier, Principes I, 443 sq.,; Hübler, Die Magistra- 
turen des völkerrechtlichen Verkehrs 13ff.; Gareis, $ 37; v. Liszt, $ 14; A. Zorn, Völker- 
recht, S. 83ff.
	        
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