Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 50. Rechte der diplomatischen Agenten. 181 
  
erhöhte Strafe gestellt und erscheinen im System der einzelnen strafbaren 
Handlungen als Eingriffe in die Sphäre der öffentlichen Interessen '!). 
Die „Unverletzlichkeit* der Gesandten legt aber dem Staate nicht nur die 
Pflicht auf, den strafrechtlichen Schutz dieser Personen entsprechend auszu- 
bilden; in erster Reihe erwächst den Organen des Staates die Pflicht, sich 
auch solcher, die Unabhängigkeit und freie Erfüllung der Aufgabe des Ge- 
sandten störender oder gefährdender Handlungen zu enthalten, welche nicht 
den Tatbestand einer strafbaren Handlung im Sinne des geltenden Strafrechts 
begründen ?). 
Die „Unverletzlichkeit“ genießen alle diplomatischen Agenten, die 
als Vertreter ihres Souveräns oder Staates bei einer fremden Regierung be- 
glaubigt sind, ferner die sonstigen offiziellen und nichtoffiziellen Glieder der 
Gesandtschaft, die Gesandtschaftsbeamten, Aerzte, Geistliche u. s. w., die Ge- 
mahlin des Gesandten, dessen Kinder und sonst zur Familie gehörenden Per- 
sonen, die Dienerschaft des Gesandten und der genannten Personen. In ob- 
jektiver Beziehung umfaßt sie auch das Hotel des Gesandten, dessen Equipage, 
Effekten, Papiere und die Korrespondenz des Gesandten. Der Genuß des er- 
höhten Schutzes beginnt in dem Zeitpunkte, da sich der Gesandte mittelst 
seiner Pässe bei den Organen des fremden Staates legitimiert hat. Im Falle 
des Ausbruchs des Krieges zwischen dem Absende- und dem Empfangsstaat 
sichert das Völkerrecht dem Gesandten, seinem Personal und seinen Effekten 
die gleiche Sicherheit für die Dauer der Zeit, die nötig ist, um das Land zu 
verlassen. 
Der Genuß jenes erhöhten Schutzes bängt aber mit dessen Grund und 
Zweck so enge zusammen, daß die sich daraus ergebenden Konsequenzen 
zessieren, wenn die mit Grund und Zweck der Unverletzlichkeit verknüpften 
Voraussetzungen im einzelnen Falle nicht zutreffen. Es ist anerkannt, daß 
sich der Gesandte auf seine Unverletzlichkeit nicht berufen kann, wenn er 
durch eigenes rechtswidriges Verhalten eine Notwehrhandlung veranlaßt, wenn 
er sich ohne zwingenden Grund selbst in die Gefahr begeben hat oder ab- 
fällige Urteile über seine mit der gesandtschaftlichen Funktion nicht zu- 
sammenhängende Tätigkeit hervorgerufen hat?) oder wenn sein Verhalten 
Akte der Präventivpolizei veranlaßt hat‘). Abgesehen von Fällen, in denen 
  
1) So straft & 104 des deutschen RStrGB die Beleidigung eines Gesandten mit Ge- 
fängnis bis zu einem Jahr oder mit Festungshaft von gleicher Dauer. Diese Bestimmung be- 
findet sich aber nicht in dem Abschnitt von der Beleidigung, sondern in dem Abschnitte 
„Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten“. Über die Verfolgung von Beleidigungen 
eines Gesandten nach französischem Recht s. Ges. v. 16. März 1893; dazu Garraud 
Traite thöorique et prat. du Dr. p@nal Fr. III, 242, 319, IV, 422. Bezüglich des englischen 
Rechts 8. Stephen, Digest of cr. law, Art. 96, 97. 
2) Lehr, Annuaire XI p. 396 sagt bezüglich des Verhaltens der Regierung gegenüber 
fremden Gesandten: „. . . le gouvernement ... & le devoir ... de donner l’exemple du 
respect qui leur est dü.. .“ Die pävarlierende Bedeutung der Unverletzlichkeit liegt freilich 
in dem Schutz gegen deliktisches Handeln (Beling, Die strafrechtl. Bedeutung der Ex- 
territorialität 52); sio ist aber nicht die ausschließliche. 3) Vgl. Rivior, Lehrb. & 39. 
4) Der Lehr’sche Entwurf hatte ursprünglich in diesem Punkte folgendermaßen ge-
	        
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