Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

88. Benennung des Völkerrechts. Internat Recht. Internat. öffentl. Recht etc. 11 
  
durch Ausscheidung der spezifisch nationalen Elemente betreffender Institute 
nachgebildet wurde'). Dieses sogen. jus gentium brachte die in der Natur 
betreffender Verhältnisse liegenden, dem Rechtsgefühle eines jeden zugänglichen 
und entsprechenden Momente zum Ausdruck. Wir begegnen daher auch 
einem weiteren Begriff des jus gentium, nämlich in dem Sinne, daß darunter 
ein Recht verstanden wird, welches bei allen Völkern Anerkennung findet, 
das (bei Cicero) auf conventa hominum et quasi consensus zurückgeführt 
wird 2). In diesem doppelten Sinne wird das jus gentium (abgesehen von deın 
Völkerrecht im publizistischen Sinne) als das für Fremde und Bürger im 
römischen Staatsgebiete gleichmäßig geltende Recht, sodann als das allen 
Menschen oder Nationen gemeinsame Recht von den klassischen Juristen auf- 
gefaßt ?). 
II. Der Erkenntnis des Objekts des Völkerrechts mußte die dem römischen 
Ausdrucke jus gentium folgende Bezeichnung und die Übersetzung jenes Aus- 
drucks in die neueren Sprachen (droit des gens oder des nations, law of 
nations usw.) als unzutreffend erscheinen. Bei Grotius findet sich die über- 
lieferte Bezeichnung ®); in der Sache handelt es sich ihm aber um ein Recht, 
welches inter civitates aut omnes aut plerasque ex consensu entstanden 
ist). Dagegen betitelt der Engländer R. Zouche (Zouchaeus) sein 1650 er- 
schienenes Buch: Juris et judicii fecialis sive juris inter gentes expli- 
catio‘). Im übrigen bleibt der Ausdruck jus gentium (Völkerrecht, droit des 
gens usw.) der herrschende. Bentham verwarf den Ausdruck law of nations, 
der eigentlich das in den einzelnen Ländern geltende Recht bedeute, und be- 
zeichnete die Regeln, welche die Beziehungen souveräner Personen zum 
Gegenstand haben, als international law im Gegensatz zum internal law. Der 
Bearbeiter der Schriften Benthams (Etienne Dumont) führte den neuen 
Ausdruck in die französische Rechtssprache ein (droit international)?). All- 
gemeinere Aufnahme fand der Ausdruck bei den Italienern, Spaniern, Portu- 
giesen uad vor allem bei den Nordamerikanern (Wheaton, Elements of 
  
1) Die auf diesem Wege hervortretenden naturaleu Elemente haben in gewissen: 
Sinne weltrechtlichen Charakter. — Vgl. über die Frage der „Möglichkeit eines Weltrechts“ 
die unter diesem Titel (Wien 1588) erschienene Rede von Zitelmann, insbes. S. 22, 23. — 
Vgl. auch den Aufsatz von Asser, Droit international et droit uniforme, Revue de dr. 
intern. XII. Ofner, Der Grundgedanke des Weltrechts (1889). 
2) Vgl. Krüger a. a. O. S. 41, 42, der darauf hinweist, wie sich bei dieser Auffassung 
das jus gentium dem jus naturale nähert und daß beide in ihrem Geltungsgebiete überein- 
stimmen; trotzdem Cicero sie nicht als eins behandelt, so schließt er doch aus der gemein- 
samen Geltung bei allen Völkern, daß das betreffende Institut dem jus naturalc angehöre. 
3) Krüger a. a. 0. 8. 121. fl. 
4) Vgl. Rivier, Note sur la littörature du droit des gens avant la publication du Jus 
b. ac. p. de Grotius (p. 10 Anm. 1). 
5) Der Kanzler d’Aguosseau, Oeuvres IV p. 267 hatte den Ausdruck droit entre les 
gens vorgeschlagen. 
6) De jure b. ac. p. Proleg. $ 17. 
1) Über die Entwicklung der neueren Terminologie und Verwertung derselben vgl. im 
Allgemeinen die bemerkenswerten Ausführungen von v. Martitz, Internationale Rechtshülfe 
in Strafsachen (1858) Bd. I S. 400 ff.
	        
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