Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

198 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. 8 54. 
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Handelsstädten am mittelländischen Meer, an der Nord- und Ostsee zu- 
sammen !). — Seit der definitiven Festsetzung der mohamedanischen Herr- 
schaft in den vormals von den Kreuzfahrern besetzten Gebieten galt es, die 
Interessen der christlichen Handelsniederlassungen gegenüber der moha- 
medanischen Staatsgewalt sicherzustellen. Diesem Zwecke diente die Ab- 
schließung von Verträgen, sog. Kapitulationen ?). Dabei handelte es sich vor- 
nehmlich um die Erhaltung eigener Rechtspflege nach dem nationalen Recht 
der Handeltreibenden durch eigene Organe, die Konsularrichter, deren Kom- 
petenz sich indessen allmählich dahin erweiterte, daß sie zur Ausübung der ge- 
samten Zivil- und Strafjurisdiktion, ferner zur Ausübung der Polizeigewalt 
und zur Vertretung und zum Schutz ihrer Landsleute berufen wurden. So 
erlangten die Genuesen 1453 von Sultan Mahomet IL, die Venetianer durclı 
einen Vertrag von 1454 die förmliche Anerkennung und Erneuerung der 
Privilegien, welche sie bisher genossen hatten). Besondere Bedeutung besitzt 
in der Geschichte der Kapitulationen der von Frankreich mit der Türkei 
im Jahre 1535 abgeschlossene Vertrag‘); er wurde zum Vorbilde für analoge 
Verträge der europäischen Mächte mit der Türkei. Jene Kapitulationen wur- 
den aus Anlaß ihrer wiederholten Erneuerungen mehrfach erweitert; neuere 
Artikel sicherten Frankreich eine bedeutsame Stellung im Orient, insbeson- 
dere in dem heiligen Lande). Für England sind die Kapitulationen von 
15380 und deren Erweiterung von 1675 maßgebend ©. Den Holländern 
wurden 1612 ähnliche Konzessionen, wie Frankreich und England bezüglich 
der Handelsniederlassungen, der Bestellung von Konsulen, der Schiffahrt 
u. Ss. w. bewilligt; bis dahin standen sie unter dem Schutz der französischen 
Flagge und französischer Konsulen‘). Für Österreich ®) kommen in erster 
Reihe die Kapitulationen von 1615 in Betracht, ferner deren Bestätigung im 
Jahre 1718 und wiederholte Bekräftigungen und Erweiterungen im Laufe des 
18. Jahrhunderts®). Sie wurden durch den Handels- und Schiffahrtsvertrag 
  
I) Die Hansestädte hatten in ihren Niederlassungen ihre Aldermänner und Bei- 
geordneten, andere Städte ihre Konsulen, Protektoren, Konservatoren, Gou- 
verneurs. 
2) Über die geschichtliche Entwicklung der Stellung der Konsulen im Orient siehe ins- 
besondere das schon oben zitierte Werk von F. v. Martens, Das Konsularwesen und die 
Konsularjurisdiktion im Orient. Siehe auch Gonevois, Histoire critique de la juridietion 
consulaire (1866). 
3) Über den Vertrag der Venctianer vom Jahre 1454, insbesondere über den Umstand, 
daß dieser Vertrag nicht ausdrücklich von einem Konsularrichter spricht, siehe Travers 
Twiss, The law of nations 1 p. 421. 4) Siehe den Vertrag bei Miltitz IL, IS. 216. 
5) Erneuerungen fanden statt seit dem Vertrage vom Jahre 1740 in den Jahren 1802, 
1S38, 1861. 
6) Vgl. Travers Twiss, The law of nations I 425 sq. Eine wertvolle Darstellung 
der Entwicklung der englischen Konsulargerichtsbarkeit im Orient und der Schutzrechte über 
Nichtengländer bietet neuestens Hall, A Treatisc on the Foreign Powers and Jurisdiction 
of the British Crown (1894) p. 122 sq. 7) Vgl. Piedeliövre, Pr£cis I p. 511. 
8) Siehe Malfatti, Handbuch des österreichischen Konsularwesens (1879.) 
9, Durch den Passarowitzer Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 27. Juli 1715 
wurden die Funktionen der österreichischen Konsulen in den türkischen Ländern und
	        
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