8 62. Rechte und Privilegien der Konsulen. 221
Konsulen der beiden kontrahierenden Staaten jene Behandlung, welche der
meistbegünstigten Nation zugestanden wird (Meistbegünstigungsklausel)!),
Derlei Verträge verpflichten natürlich nur die Kontrahenten. Gesetzliche
Normen der bezeichneten Art haben nur für den betreffenden Staat bindende
Kraft; allein eine Berufung auf derlei Gesetze zum Zwecke der Erlangung
der Gewährung der Reziprozität ist nicht ausgeschlossen?2). Die Verwertung
der Meistbegünstigungsklausel wurde durch die Unbestimmtheit des Inhalts
herrschender Gewohnheiten, sowie die Unvollständigkeit der Normierung der
einzelnen Rechte und Immunitäten in Gesetzen und Verträgen veranlaßt.
Indessen ist die allgemeine Formulierung jener Klausel keineswegs geeignet,
volle Sicherheit bezüglich der gegenseitigen Rechte und Privilegien der
Konsulen der beiden kontrahierenden Staaten zu gewähren. Eine genaue
Fixierung der Rechte der Konsulen wurde in neueren Verträgen mit Erfolg
versucht, so z. B. in der österreichisch-französischen Konsular-
konvention vom 11. Dezember 1866. Daneben enthalten übrigens selbst diese
Verträge auch noch die Meistbegünstigungsklausel, so z. B. der eben er-
wähnte Vertrag (Art. 15)3).
In einzelnen Verträgen ist der volle Genuß der Immunitäten usw. nur
Konsulen zugestanden, welche Angehörige des ernennenden Staates, oder Nicht-
angehörige des Staates ihres Amtssitzes sind®), bezw. nur Berufskonsulen?).
Insbesondere wird zuweilen die Befreiung von der Zeugnisablegung nur den-
jenigen Konsulen gewährt, die Angehörige des ernennenden Staates sind®)
und keinen Handel oder Gewerbe treiben.
Konsularbeamte, welche Handel treiben, dürfen sich nach der ausdrück-
lichen Bestimmung einzelner Verträge auf konsularische Vorrechte nicht be-
rufen, um sich ihren privatrechtlichen Verbindlichkeiten zu entziehen. Be-
sondere Bestimmungen pflegen: die Verträge auch bezüglich der Gebühren,
Abgaben usw. zu enthalten, welche der Konsul, der Angehöriger des er-
1) So lautet z. B. Art. 21 des deutsch-österreichischen Handelsvertrags vom
16. Dezember 1878: „. . . Diese Konsulen des einen der vertragenden Teile sollen unter der
Bedingung der Gegenseitigkeit in dem Gebiete des anderen Teiles dieselben Vorrechte, Be-
fugnisse und Befreiungen genießen, deren sich diejenigen irgend eines dritten Staates er-
freuen oder erfreuen werden.“ — Ebenso Art. 19 ‘des deutsch-italienischen Vertrages
1866; deutsch-japanischer Konsular-Vertrag vom 4. April 1896 Art. 1 Abs. 2.
2) Vgl. Pradier-FodeEre, Traite IV p. 658.
3) Für den Wert einer präzisen Stipulierung der Rechte u. s. w. in betreffenden Ver-
trägen treten die Motive des Gesetzes betr. die Genehmigung der f ranzösisch-russischen
Konsularkonvention vom 1. April 1874 ein. Siehe De Clercq, Recueil des traites de la
France XI p. 183 sq. — In diesem Sinne sprechen sich auch F. v. Martens ]I S. 79 und
v. Bulmerincq, HH II S. :11 u. A. aus.
4) Vgl. z.B. Art. 3 des deutsch-nordamerikanischen Vertrages vom 11. De-
zember 1871.
5) Vgl. z. B. Art. 3 des Vertrages Italiens mit den Norddeutschen Bunde vom
21. Dezember 1868 und mit dem Deutschen Reiche vom 7. Februar 1572. — Art. 4 des
deutsch-spanischen Vertrages vom 12. Januar 1872.
6) Vgl. z. B. Art. 3 des österreichisch-nordamerikanischen Konsularvertrages
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