222 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. 862.
nennenden Staates ist, zu entrichten hat, wenn er im Empfangsstaat unbeweg-
liche Güter besitzt oder Handel oder Gewerbe betreibt.
Im einzelnen kommt hier folgendes in Betracht:
1. Grundsätzlich sind die Konsulen in den christlichen Ländern der
Zivil- und Kriminaljurisdiktion unterworfen!, Mit Rücksicht auf die freie
Ausübung der konsularischen Funktion ist indessen auf dem Gebiete der
Ziviljurisdiktion die Schuldhaft gegen Konsulen nicht anwendbar. Wahl-
konsulen und Konsulen aus dem Handelsstande dürfen nach einzelnen Ver-
trägen dem Personalarrest nur in Handelssachen, nicht in anderen Zivilsachen,
unterworfen werden?). Da Berufskonsulen durch die Gesetze des ernennenden
Staates der Betrieb von Handelsgeschäften untersagt ist, so findet auf sie die
Schuldhaft überhaupt keine Anwendung’). Im übrigen dürften jene Hand-
lungen der Konsulen, die sie in Ausübung ihres Amtes innerhalb der Grenzen
ihrer Kompetenz vornehmen, im Interesse der freien Ausübung ihres Berufes
von der Jurisdiktion des Amtssitzes schlechthin zu eximieren sein‘).
In Strafsachen ist die persönliche Immunität durch Verträge mehrfach
den Berufskonsulen eingeräumt, wenn das Delikt sich nicht als eine straf-
bare Handlung höchster Ordnung [Verbrechen i. e. S.5) oder als Gegenstand
der Kompetenz der Schwurgerichte )] darstellt”. Gewöhnlich wird jedoch
mit Ausnahme der Fälle der Ergreifung auf frischer Tat die Verhaftung
bezw. Strafverfolgung erst eingeleitet, nachdem das Exequatur zurückgezogen
worden ist. Zuweilen tritt an die Stelle der Verfolgung die Ausweisung des
Konsuls®).
. 1) Diesen Grundsatz stellt auch das Reglement über die Immunitäten der Konsulen
Art. 6 auf. Annuaire de !'Institut XV. p. 305. Vgl. $ 21 Deutsches Ger.-Verf.-Ges.
2) Deutsch-italienischer Vertrag Art. 5; französisch-griechischer Vertrag
vom Jahre 1576, Art. S; österreichisch-nordamerikanischer Vertrag Art. 2: fran-
zösisch-italienischer Vertrag Art. 2. Vgl. weitere Angaben bei v. Bulmerinegq, HH
III S. 714, 715.
3) Vgl. F.v. Martens 11 S. 77 und den dort allegierten russisch-spanischen
Konsularvertrag vom Jahre 1876.
4) So die konstante Praxis der französischen Gerichte. Siehe die Nachweisungen bei
Piedelievre, Precis I p. 551 Anm. 4. — Das zitierte Reglement stellt in Art. 5 folgenden
Grundsatz auf: lis (les consuls) ne sont pas justiciables des tribunaux locaux pour les actes
qu’ils accomplissent en leur qualit& officielle et dans les limites de leur competence. Les
exceptions qui sont faites & cette rögle, doivent ötre prevues et döfinies par trait&. Für den
Fall, daß durch betreffende Amtshandlungen Interessen von Privatpersonen verletzt würden,
ist die Einlegung einer Beschwerde bei der Regierung des Empfangsstaates in Aussicht genommen,
die eventuell das Weitere auf diplomatischem Wege einzuleiten hat.
5) Vgl. z. B. den österreichisch-nordamerikanischen Vertrag von 1870 Art. 2.
— deutsch-japanischen Konsularvertrag vom 4. April 1896 Art. DI Abs. 1.
6) Vgl. z. B. den französisch-russischen Vertrag von 1874, Art. 2.
7) Zuweilen wird die Grenze durch eine bestimmte Strafart oder ein gesetzliches
Strafmaß des Strafensystems.des Empfangsstaates fixiert. So z. B. in dem Österreichisch-
italienischen Vertrag von 1874, Art. 2 bezüglich der in Italien verübten Straftaten. —
Art. 7 des Kunsularreglements (Annuaire XV p. 305) sagt: En aucun cas, les consuls ne
peuvent &tre arretCs ni dötenus, si ce n’est A raison d’infractions graves. Entwurf Art. 6
... de faits qualifies erimes par la ICgislations du pays dans lequel ils resident.
8) Vgl. Pradier-Fodere, Traite IV p. 686g.