226 Drittes Buch. Die Organe der Völkerrechtssubjekte. 8 61.
Pariser Frieden von 1856) aufgenommen ist!) und mit den meisten anderen
nichtchristlichen Staaten (Persien, China, Japan, Siam u. s. w.) Vertrags- und
diplomatischer Verkehr besteht. In dem Maße, als diese anomale Einrichtung
namentlich von jenen Völkern, die selbst Träger alter Kultur sind und
manchen Fortschritt im Geiste europäischer Zivilisation in neuester Zeit auf-
zuweisen haben, schwer empfunden wird, steigert sich aber auch die Verant-
wortlichkeit der europäischen Staaten für eine durchaus unparteiische und
korrekte Justiz. Nur dann, wenn die Ausübung dieses Rechtes von dem
strengen Ernst beherrscht ist, den das öffentliche Recht der zivilisierten
Staaten bei den Organen der Rechtspflege voraussetzt, kann die moralische
Mission, welch die Geschichte den zivilisierten Völkern anvertraut hat, zur
Assimilierung der Rechtszustände der christlichen und nichtchristlichen Länder
beitragen?).. In den Beziehungen einer Reihe von Staaten?) zu Japan hat
sich allerdings in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ein Wandel
vollzogen, der zum — vorerst zeitlich beschränkten — Verzicht auf die Konsular-
gerichtsbarkeit geführt hat (s. oben S. 199, Anm 2). Von der Einschränkung
der Konsulargerichtsbarkeit in Egypten wird unten (s. S. 232) die Rede sein.
I. Die Organisation der Konsulargerichte in den nichtchrist-
lichen Staaten ist keine einheitliche, denn abgesehen davon, daß sie nicht auf
einer einheitlichen oder internationalen Regelung beruht, sondern auf Einzel-
verträgen, den nationalen Gesetzen der Mächte und vielfach auch auf Her-
kommen, muß die Verschiedenheit des Maßes der Bedürfnisse der einzelnen
Staaten, der vielfach eigenartige Charakter ihrer eigenen heimatlichen Ein-
richtungen und schließlich die Tatsache in Erwägung gezogen werden, daß es
sich auch hier um Bildungsprozesse handelt, die sich im Laufe geschichtlicher
Entwickelung unter dem Einfluß verschiedenartiger Umstände vollziehen.
Indessen, gewisse typische Einrichtungen haben sich unter dem Einfiuß jener
1) Vgl. über die Versuche der Türkei, die fremde Konsulargerichtsbarkeit zu beseitigen
Hübler a.a 0. 77.
2) Der gründlichste Kenner der Geschichte und der heutigen Wirksamkeit der Konsular-
gerichte im Orient — F. v. Martens — hat wiederholt betont, daß die richterlichen Befugnisse
der Konsulen nicht als Privilegien angesehen werden dürfen, die man Europäern erteilt, da-
mit sie ungestraft Verbrechen begehen und die Eingeborenen und Landesregierungen exploitieren
könnten. Dem Rechte der Konsularjurisdiktion entspricht die Pflicht, die Konsulargerichte
unverzüglich in einer den Forderungen der Rechtsordnung entsprechenden Weise zu organisieren
(II S. 92, vgl. auch S. 96). Im Schoße des Instituts für internationales Recht hat man sich
in neuerer Zeit (1681) mit dieser Frage eingehend beschäftigt. Die betreffende Kommission
hatte folgende, durch F. v. Martens vorgeschlagene Resolution angenommen: „1. Die
gegenwärtig im Verfahren bei gemischten Prozessen befolgte Praxis ist unwürdig der
zivilisierten Mächte nnd den legitimen Interessen ihrer im Orient domizilierenden An-
gehörigen im höchsten Grade schädlich; 2. Die Exterritorialität der aus christlichen Staaten
entstammenden Bewohner orientalischer Länder ist nicht bloß ein Privilegium und ein Recht,
sie begründet auch eine Pflicht.* Die Resolution wurde in der Plenarversannmlung des Instituts
für internationales Recht (1552) angenommen. — Näheres darüber im Annuaire de l’Institut
IV p. 233sy. — S. schon bier Mandelstam, La justice Ottomane etc. RG 1ff., 343 ff.
3) England, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Italien (1894), Peru, Schweden-
Norwegen, Rußland, Dänemark (1595), Deutschland, Frankreich, Holland, Schweiz (1s96\.
Spanien, Portugal (1997).