Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

244 Viertes Buch. Mittel des rechtlichen Verkehrs der Völkerrechtsaubjekte. $ 13. 
  
des Organs wohl in weiterem Sinne gedacht zu sein. Der Zusammenhang 
dieser Formen internationaler Verhandlungen mit der Existenz der inter- 
nationalen Gemeinschaft kann allerdings nicht übersehen werden'), weil 
rechtlich maßgebende Akte der autonomen Völker und Staaten, überhaupt 
eine völkerrechtliche Wirksamkeit der einzelnen Völkerrechtssubjekte 
nur auf dem Boden der internationalen Gemeinschaft möglich ist. Dieser 
Zusammenhang wurde auch schon oben (S.83) betont. Es ist auch zuzugeben, 
daß Kongresse und Konferenzen jene internationale Einrichtung sind, in 
welcher am unmittelbarsten und in einer spezifisch internationalrechtlichen 
Form die gemeinsame Rechtsüberzeugung und der rechtlich bedeutsame Wille 
der Völkerrechtssubjekte zum Ausdruck kommt. Indessen dies reicht nicht 
hin, um zur juristischen Charakteristik der Kongresse und Konferenzen den 
Begriff des Organs im technisch-publizistischen Sinne verwerten zu können. 
Dieser Begriff setzt eine feste, korporative Organisation voraus. Die Teil- 
nehmer an einem Kongresse u. s. w. sind allerdings Organe in diesem Sinne 
kraft der korporativen Organisation, auf der ihre Mission beruht. Sie hören 
auf dem Kongresse u. s. w. nicht auf, als Organe ihrer betreffenden Staats- 
wesen zu fungieren. Der Kongreß oder die Konferenz ist nur das Mittel der 
Bekundung des autonomen Willens der Staaten, die hier durch ihre Organe 
in einer ebenso autonom gewählten Form mit einander in Verhandlung ge- 
treten sind. 
$ 73. Einleitung des Zusammentritts von Kongressen und Kon- 
ferenzen; Vorgang bei den Verhandlungen?) I. Der Zusammentritt von 
Kongressen und Konferenzen kann von einer oder mehreren der interessierten 
Mächte oder von einer dritten in einer zwischen anderen Staaten schwebenden 
Angelegenheit vermittelnden Macht?) mittels Antrags angeregt werden. 
In diesen beiden Fällen liegt der materielle Anlaß in einem konkreten völker- 
rechtlichen Tatbestand, einem Streitfall u. s w. Im übrigen kann das 
Interesse an einer zwar nicht aktuellen, aber die Völkergemeinschaft, ihre 
rechtliche Ausgestaltung, oder wichtige Fragen der internationalen Wolıl- 
fahrtspflege berührenden Angelegenheit von jedem Staat in einem Antrag 
auf Zusammentritt von Bevollmächtigten der Staaten bekundet werden. Bei- 
spiele bieten in neuerer Zeit der Antrag der Schweiz auf eine gemeinsame 
1) Dies scheint auch die Meinung von Bonfils p. 797 zu sein, obwohl die Rede- 
wendung: „Kongresse und Konferenzen sind Organe der internationalen Gemeinschaft, 
keineswegs aber der einzelnen Staaten als solcher“ auf die entgegengesetzte Ansicht hinweist. 
Bonfils weist nämlich nur darauf hin, daß die Kongresse der Jahre 1648, 1815, 1856, 1875, 
1685, 1890, 1899 nur dadurch zustande kommen konnten, daß die beteiligten Staaten sich 
ihrer Solidarität als Mitglieder der internationalen Gemeinschaft bewußt waren. Allein dieses 
Moment Ist für jede kollektive Aktion der Mächte schon nach der Natur des Völker- 
rechts überhaupt von entscheidender Bedeutung, aber ohne Einfluß gerade auf die juristische 
Natur der Kongresse. 
2) Vgl. Geffeken, HH Ill S.681ff.; F.v. Martens 11 S. 226 ff.: Bonfils p. 799 sq.; 
Oppenheim I, $$ 454 sq. 
3) Z. B. der Kongreß zu Teschen 1779 auf Anregung der Kaiserin Katharina I.; die 
Wiener Konferenzen vom Jahre 1955; die durch Napoleons’s HI Vermittlung 1566 eın- 
geleiteten Verhandlungen. 
 
	        
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