Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

258 Viertes Buch. Mittel des rechtlichen Verkehrs der Völkerrechtssubjckte. 8 75. 
  
wirklichen Wert haben, so müßte die Möglichkeit einer anderweiten Beant- 
wortung betreffender Vorfragen ausgeschlossen sein — es müßte mit anderen 
Worten die Bejahung der Vorfrage der Legitimation durch den einen Kon- 
trahenten allemal mit voller Sicherheit auf die gleiche Bejahung durch die 
betreffenden innerstaatlichen Faktoren des anderen kontrahierenden Staates 
rechnen können. Dies ist jedoch ausgeschlossen, so lange nicht die Verfassungs- 
staaten gleichmäßig den Grundsatz, daß die etwa zum Vertragsabschluß 
nach der Verfassung notwendige Genehmigung unbedingt vor der Ratifikation 
eingeholt werde, zu einer verfassungsrechtlichen Pflicht erheben. Durch diese 
Einrichtung würde Konflikten unter den Kontrahenten am wirksamsten vor- 
gebeugt werden !). Allein, abgesehen davon, daß eine zuverlässige Grundlage 
für die Beantwortung der Vorfrage der Legitimation zum Vertragsabschluß 
derzeit fehlt), fehlt es auch an dem Recht zu dieser Prüfung selbst. Es 
unterliegt allerdings keinem Zweifel, daß ein Staat, der mit einem anderen 
Staat ein Übereinkommen schließen will, durch seine Organe, insbesondere durch 
Fachmänner auf Grund des Staatsrechts, der parlamentarischen Praxis und 
etwa auch der Aussprüche der Autoritäten der staatsrechtlichen Doktrin die 
aus irgend einem Grund streitige Vorfrage der Legitimation des Oberhaupts 
des anderen kontrahierenden Staates prüfen lassen kann. Dies gebietet schon 
die Vorsicht beim Eintritt in zwischenstaatliche Verhandlungen, deren Ergebnis 
man durch Nichtbeachtung eventueller Gründe der Nichtigkeit des Geschäfts 
von vornherein in Frage stellen würde. Ebensowenig ist es ausgeschlossen, 
bei den Verhandlungen die Frage etwaiger Beschränkungen der Vertretungs- 
befugnis eines der beteiligten Organe anzuregen). Allein eine besondere 
Legitimation des kontrahierenden Staatsorgans gibt es nicht, da die Bildung 
eines eine solche Legitimation normierenden Rechtssatzes mit der gegenseitigen 
Unabhängigkeit der Staaten unvereinbar ist; ferner besteht in den vielgestaltigen 
Normen des Verfassungsrechts der einzelnen Staaten über die Schranken der 
Repräsentationsbefugnis des Staatsoberhaupts keine gleichmäßige und geeignete 
Grundlage fhr die Bildung einer völkerrechtlichen Übung, in welcher der dem 
Privatrecht eigentümliche Satz, daß sich der Kontrahent von der Rechts“ und 
Handlungsfähigkeit des Mitkontrahenten zu überzeugen habe, zu einer völker- 
rechtlichen Regel erhoben werden könnte‘), Für das Völkerrecht ge- 
jangen wir also zu dem Grundsatze, daß dasjenige Organ eines kontrahierenden 
Staates, ‘welches tatsächlich die für den Abschluß eines Staatsvertrages maß- 
gebenden Handlungen vornimmt, zunächst als zu dieser Vornahme legitimiert er- 
  
1) Darin erblickt auch Nippold a. a. O.S. 162 ein Mittel, um Verfassungswidrigkeiten 
von vormherein entgegenzuarbeiten. Er bemerkt aber überdies mit Recht, daß auch in 
Staaten, wo die Reihenfolge der Einholung der Genehmigung und Ratifikation nicht aus- 
drücklich geregelt ist, praktisch doch so gehandelt wird, worin auch der Beweis dafür 
zu erblicken ist, daß an sich die Neigung zur Begehung von Verfassungswidrigkeiten nicht 
vorhanden ist. 
2) Vgl. Tezner a. a. O0. S. 137, der dieser ganzen Frage eine eingehende Untersuchung 
widmet, insbesondere eine genaue Sonderung der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Seite 
der Frage festhält. 9) Vgl. Nippold a. a. 0.8. 117. 
4) Vgl. insbesondere Tezner a. a. O. S. 131 ff.
	        
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