$ 83. Wirkung und Sicherung der Staatsverträge. 277
Handels- und Schiffahrtsverträge, Freundschaftsverträge, Post- und Telegraphen-
verträge, Eisenbahnverträge, Verträge zum Schutze des Privatrechts, des
Urheberrechts, der Marken und Muster usw. Bezüglich einzelner dieser
Materien führte das Streben, den durch Verträge zu leistenden gegenseitigen
Schutz möglichst intensiv, allgemein und gleichartig zu gestalten, zuKollektiv-
verträgen, welche die Grundlagen von Unionen oder Vereinen wurden
(z. B. die Weltpostunion) !).
8.83. Wirkung und Sicherung der Staatsverträge 2). I. Die allgemeine
Rechtswirkung der Verträge ist die Verpflichtung zu ihrer Erfüllung, also
auch die Begründung von Zwangsbefugnissen der Kontrahenten gegen ein-
ander (s. 0. S. 249ff.).
IL Zur Bestärkung der Staatsverträge dienen sog. Sicherungsgeschäfte —
pacta cautionis —, die in der Regel als Nebenverträge erscheinen. In älterer
Zeit diente als Sicherungsmittel hauptsächlich der Eid der kontrahierenden
Souveräne, wodurch einer übernommenen Verbindlichkeit zugleich noch eine
religiöse Verpflichtung hinzugefügt wurde. Die Anwendung dieses Sicherungs-
mittels kam insbesondere in jener Zeit vor, in der die Verträge als pacta
personalia abgeschlossen wurden (s. o. S. 274 Anm. 7), Der Eid bindet das
Gewissen der den Eid leistenden Einzelperson; auf dem Gebiete der Staats-
verträge handelt es sich aber um eine Sicherung der Erfüllung eines Vertrages
durch den Staat: es sollen dem Berechtigten Mittel zur Verfügung gestellt
werden, welche eventuell als Zwangsaktion gegen den verpflichteten Staat
ihre Wirkung äußern können.
Andere Sicherungsmittel waren in älterer Zeit die Stellung von
Geiseln, Bürgen, die Verpflichtung zur Zahlung einer Konventional-
strafe im Falle der Nichterfüllung (ohne alle positive Beschränkung), das
Einlegen oder Einreiten des Schuldners (jus obstagii). Geiseln sind
gleichsam ein an Staatsangehörigen bestelltes Pfand; sie werden heute nur
noch bei Friedensschlüssen, Kapitulationen usw. vertragsmäßig übergeben,
zuweilen auch mit Gewalt weggenommen. Ursprünglich war der Zweck aller-
dings die Erfüllung einer gewissen Leistung durch die Bedrohung der Person
der Geiseln zu sichern. Heute hält man den Staat nur für befugt, die Geiseln
bis zur Erfüllung in anständiger Haft zu halten; jede Mißhandlung, Bedrohung
oder Verletzung ihrer Person gilt für völkerrechtswidrig.
Das Pfand komnit im Völkerrecht als Satzung vor, nämlich entweder
als pfand weise Übergabe von Landesteilen, Festungen usw. oder als Pfand-
nahme (Abpfändung), indem ein Staat einen Landesteil eines anderen durch
Selbsthilfe in Besitz ninmt, um eine Sicherheit für eine gewisse Leistung des
1) Lavoll&e, Les unions internationales — in der Revue d’histoire diplom. I (1887);
Meili, Die internationalen Unionen über das Recht der Weltverkehrsanstalten und des
geistigen Eigentums (1559); Engelhardt, Histoire du droit fluvial conventionnel (1889).
2) Geffcken, HH III S. 85ff.; Heffter-Geffken $$ 96 ff.; Bluntschli, Völker-
recht 85 425; F.v. Martens I S. 417ff., Hartmann 9. 141ff.; Gareis $ 74; Milo-
wanowitsch, De traites de garantie en droit international (1889); Rivier, Lehrb. $ 51;
Nippold a.a. 0.8. 212ff.; Pradier-Fodere, Trait& II $$ p 1156 sq.; Picdelievre,
Precis I p. 297 sq.; Despagnet, Cours p. 493 sq., 137 sq.