280 Viertes Buch. Mittel des rechtlichen Vorkehrs der Völkerrechtssubjckte. S $4.
Die Garantie kann eine gleiche oder ungleiche sein, je nachdem ein
Staat ebenso viel oder mehr usw. garantiert als der andere, ferner eine all-
gemeine oder partikuläre, eine beständige oder temporäre.
Derjenige Staat, für dessen Leistungen oder vertragsmäßiges Verhalten
ein dritter Staat garantiert, braucht nicht einzuwilligen, daß garantiert werde.
Die Garantie kann gegen seinen Willen geleistet werden, weil sie eben nur
Hilfeversprechen ist.
Die Wirkung der Garantie ist verschiedenartig. In Fällen einfacher
Garantie ist der Garant verpflichtet, alle Mittel (selbst kriegerische) anzuwenden,
um die Erfüllung der Verpflichtungen, deren Sicherung er durch sein Garantie-
versprechen übernommen hat, zu bewirken. Die Erfüllung dieser Pflicht setzt
die Aufforderung der Partei, zu deren Gunsten die Garantie übernommen
wurde, voraus; !) sie ist aber auch in anderen Beziehungen keine unbedingte.
Der Garant hat als unabhängiger Staat die volle Freiheit, die Vorfrage, ob
der Fall der Garantie eingetreten ist, nach eigenem Ermessen zu beantworten ;?2)
aber auch im Falle der Bejahung dieser Frage und wenn die übernommene
Garantie an keine besonderen Bedingungen geknüpft ist, ist die Erfüllung
der Pflicht doch noch davon abhängig, daß der Garant in der Lage ist, zu
helfen. Im Falle des Unvermögens des Garanten kann der Garantierte keinen
Schadenersatz fordern. Ebensowenig ist der Garant verpflichtet, Entschädigung
zu leisten, wenn er seinem Hilfeversprechen mit den ihm zur Verfügung stehenden
Mitteln bona fide nachgekommen, die Hilfeleistung aber ohne Erfolg geblieben
ist. Wird der Garant von mehreren Vertragsparteien um Hilfeleistung an-
gerufen, so hat er derjenigen Beistand zu leisten, deren Ansprüche und deren
Auslegung des Garantieversprechens er für begründet hält. Der Garant, der
nicht zugleich mit Hauptkontrahent ist, hat kein Recht, sich einer Abänderung
des Vertrages durch Verständigung unter den Kontrahenten zu widersetzen;
er ist aber nicht mehr zur Garantie verpflichtet, insoweit der ursprüngliche
Vertrag abgeändert worden ist.
$ 84. Auslegung der Staatsverträge.®) I Zweck der Auslegung der
Verträge ist die Feststellung des wahren Willens der Kontrahenten. Da
deutschen Angelegenheiten. — Neuere Beispiele: Die Konvention vom 7. Mai 1832 zwischen
Frankreich, England und Rußland überträgt diesen Mächten die Garantie des neuen König-
reiches Griechenland. — In dem Berliner Vertrag vom Jahre 1878 wurde von den Signatar-
mächten die Garantie des organischen Statuts für Ostrumelien übernommen.
1) Auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt ist, wie dies z. B. im Westphälischen
Frieden geschah. Geffeken, HH II S. 105. — Es kommen hier die Konsequenzen der
Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Garantierten zur Geltung. Das spontane Eingreifen
des Garanten setzt daher eine ausdrückliche Stipulation voraus. Überdies entfällt die Not-
wendigkeit der Hilfeleistung, wenn der Garantierte seine Rechte selbst geltend machen will
oder wenn er überhaupt auf die Garantie verzichtet.
2) Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Garanten und dem Garantierten werden
zur Versagung der Hilfe führen; der Garant „darf nicht seine Auslegung der Garantie eigen-
mächtig durchsetzen“, Geffcken a.a. 0.$8. 104. Auch darf der Garaut mit Rücksicht auf das
über die Selbständigkeit des Garantierten Gesagte, dem letzteren die Garantie nicht auf-
drängen, wenn er seine Verbindlichkeit weiter faßt als der Garantierte. Geffckena.a.O.
3) Grotius, De jure b. et p. lib. IL cap. XVI, ferner lib. III cap. XX u. XXIII;