8 85. Dauer, Bestätigung, Erneuerung, Wiederherstellung etc. der Staatsverträge. 283
bindlichkeit unter den Kontrahenten. Sie ist gewöhnlich, wenn Zweifel
über die Fortdauer besorgt werden. Die Bestätigung eines Staatsvertrages in
einem anderen Staatsvertrage, welcher mit einer oder mehreren anderen Mächten
abgeschlossen wird, macht nach der Praxis den ersteren Vertrag nicht so un-
bedingt zu einem integrierenden Bestandteil des neuen Vertrages, daß nun die
Garanten des neuen Vertrages als Garanten des alten Vertrages zu betrachten
wären und zwar selbst dann nicht, wenn gesagt ist, es solle so angesehen
werden, als wenn jener ältere Vertrag in dem neuen wirklich und wörtlich
eingerückt wäre, oder wenn er auch wirklich in den neuen Vertrag hinein-
gesetzt wird, denn dies hat im Zweifel nur die Bedeutung, daß für die
Kontrahenten desälteren Vertrages die Anerkennung seiner fortwährenden
Gültigkeit auch eine Stipulation des neuen Vertrages ist.
III. Die Erneuerung (renovatio) der Staatsverträge ist die Verlängerung
ihrer Dauer, wenn sie nämlich nur auf bestimmte Zeit abgeschlossen waren.
Zum Begriff der Renovation gehört, daß die erforderliche Willenserklärung vor
dem völligen Ablauf dieser Zeit geschieht.!) Die Erneuerung eines Staats-
vertrages wird nicht vermutet; sie kann aber auch stillschweigend geschehen,
z. B. wenn in dem Vertrage die Klausel enthalten ist, daß er nach seinem
Ablauf wieder für dieselbe Zahl von Jahren gelten soll, wenn er nicht vorher
gekündigt wird. Auch kann ein Staatsvertrag dadurch stillschweigend fort-
gesetzt werden, daß beide Staaten nach seinem Ablauf fortfahren, tatsächlich
die Vertragsbestimmungen zu beobachten. Ein solcher abgelaufener, nur still-
schweigend fortgesetzter Vertrag kann aber von jedem Teil in jedem Momente
gekündigt werden, oder es kann einfach seine fernere Beobachtung unterbleiben.
Die stillschweigende Fortsetzung enthält keine juristische Vermutung einer
Erneuerung auf die gleiche Zeitdauer.
IV. Die Wiederherstellung eines Staatsvertrages ist die neue Ver-
bindlichkeitserklärung desselben, wenn seine Wirkung aus irgend einem Er-
löschungsgrunde beendigt wurde.
V. Die Erlöschungsgründe der Staatsverträge sind teils solche, die
sich aus der Natur des Vertrages überhaupt ergeben, teils solche, welche dem
Völkerrecht eigentümlich sind und mit der eigenartigen juristisch-politischen
Natur der Kontrahenten und der Bedingungen ihres Lebens und ihrer Ent-
wicklung zusammenhängen.
In ersterer Beziehung kommen folgende Erlöschungsgründe in Betracht:
1. Die Erfüllung des Vertrages (solutio), die verschieden sein kann, je
nachdem der Vertrag zu einmaliger Leistung oder zu fortgesetzter Leistung
verpflichtet. Der Vertrag endigt durch Erfüllung natürlich nur in dem ersteren
Falle. — Unter den Gesichtspunkt der Erfüllung fällt auch die sonst erfolgte
Erreichung des Vertragszwecks.
2. Der mutuus dissensus.
3. Ablauf der bestimmten Zeit, ohne daß die Erneuerung des Ver-
trages (siehe oben sub III) stattgefunden hat.
1) Die Eventualität der Erneuerung wird meistens schon beim Abschinß des Vertrages
in einer besonderen Klausel in Aussicht genommen.