& 88. Insbesondere das Wassergebiet. Fortsetzung. 293
dabei wird die Landgrenze bestimmt durch den Wasserstand bei niedrig-
ster Ebbe (la laisse de basse mar&e). Dieser vorherrschenden Ansicht steht
jene gegenüber, nach welcher die Grenze der Schiffbarkeit entscheiden
soll; eine andere Ansicht betont wieder die Möglichkeit der Errichtung
von Strandbatterien. Gegenwärtig sind die Bestrebungen auf dem Ge-
biete dieser Frage darauf gerichtet, im Interesse der Sicherheit der Rechte
des Uferstaates bezüglich des Küstenmeeres, sowie im Interesse der nationalen
und internationalen Schiffahrt obigen aus der Natur der Sache folgenden
Grundsatz mit dem Bedürfnis einer rechtlich verbindlichen Fixierung der
Grenze dadurch in Einklang zu bringen, daß eine Entfernung von der Küste
gewählt wird, die der mittleren Tragweite der Geschütze entspricht ').
Bei den Beratungen und Beschlüssen des Instituts für internationales Recht
war der Gedanke einer Transaktion zwischen den verschiedenen Ansichten
über die Fixierung der äußersten Grenze maßgebend ?); man entschied sich
für die Sechsmeilengrenze; als Landgrenze wurde die niedrigste Ebbe-
linie angenommen 3).
$88. Fortsetzung. Objekt der Gebietshoheit eines Staates ist das Binnen-
meer, nämlich umfangreichere Wassergebiete, welche innerhalb des Landgebiets
belegen sind und eine Zufahrt vom offenen Meere nicht besitzen.) Die Herr-
schaft des Staates über das Binnenmeer ist eine selbstverständliche Folge der
Gebietshoheit. Denselben rechtlichen Charakter haben die Landseen (mit Süß-
wasser). Internationale Verhältnisse ergeben sich, wenn derlei Wassergebiete von
verschiedenen Staaten umschlossen sind. Sie gehören den Adjazenten zu reellen
Teilen. Durch Konventionen können singuläre Verhältnisse geschaffen werden;
— —
1) So F. v. Martens RG I 43, wo die Grenze auf 10 Seemeilen fixiert wird.
2) Erklärung des Berichterstatters Barclay in der Sitzung vom 28. März 1891 (An-
nuaire XIII p. 289).
3) An die Beschlüsse des Instituts hatte die holländische Regierung im Dezember 1895
eine Aktion angeknüpft, deren Zweck die Einberufung einer Konferenz der Mächte zur Ord-
nung dieser wichtigen Matcrie sein sollte. Die Aktion blieb jedoch ohne Erfolg. Indessen,
die kollektive Fixierung der Grenze über die Dreimeilengrenze hinaus wird auf die Dauer
nicht abgelehnt werden können. Dabei werden die Beschlüsse des Instituts bezüglich der
Sechsmeilengrenze die Grundlage bilden können, da diese Grenze durchaus geeignet ist, eine
feste Grundlage für die Orduung der auf das Küstenmeer bezüglichen internationalen Ver-
hältnisse zu bieten. Die Beschlüsse des Instituts kennen aber außer dieser festen Grenze,
noch eine Neutralitätszone, die nicht ziffermäßig fixiert ist, sondern fakultativ durch Neu-
tralitätserklärung des neutralen Uferstaats auf Kanonenschußweite ausgedehnt wer-
den kann. Gegen diesen Versuch, zwei entgegengesetzte Prinzipien — wenngleieh nur im
Kriegsfalle — in dieser Materie zur Geltung zu bringen, hat sich schon die Kollektivnote der
holländischen Regierung vom Jahre 1895 ausgesprochen, indem daselbst auch die Neutralitäts-
zone in der Länge von 6 Scemeilen in Aussicht genommen wurde, so daß im Kriegsfalle für
die Ncutralen eine Zwölfseemeilen-Grenze als gleichmäßige und obligatorische Grenze in Be-
tracht käme. Aber auch diese Lösung der Frage ist nicht unbedenklich, sowohl vom Stand-
punkt der Interessen der Neutralen wie jener der Kriegsführenden, daher wohl in letzter
Reihe die Sechsmeilengrenze in Friedens- und Kriegszeit die richtige Grundlage der Regelung
der Angelegenheit bilden dürfte. Vgl. Godey, |. c. 22.
4) Das tote Mcer, der Aralsee, der Comosee.