Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

298 "ünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. $ W. 
  
einen tatsächlichen Zustand, der dem Eigenbesitz vollkommen gleicht, aber 
doch nicht Eigenbesitz ist. So wurde durch Vertrag vom 20. Juni 1903 
(Art. 2) der „Pfandbesitz“ von Wismar ausdrücklich in „Eigenbesitz“ 
umgewandelt. 
Das völkerrechtliche Mandat betreffend die Verwaltung Bosniens 
und der Herzegowina, Fälle der Verpfändung von Gebietsteilen und die in 
neuester Zeit vorgekommenen Verpachtungen von Gebietsteilen, nämlich 
von Kiautschou an das Deutsche Reich, Wei-Hai-Wei an Großbritannien 
und Port Arthur an Rußland seitens Chinas 1898 haben singuläre Zustände 
geschaffen, die nur im Zusammenhang mit der rechtlichen Beschaffenheit des 
Titels, auf dem sie beruhen, ihre erschöpfende juristische Erklärung finden 
können. Keiner dieser drei Titel bedeutet aber die Begründung eines aus- 
schließlichen rechtlichen Verhältnisses des Mandatars, bezw. des Pfandgläubigers, 
bezw. Gebietspächters zu dem betreffenden Gebiete oder Gebietsteil. Was ins- 
besondere die Pachtverhältnisse betrifft, so ist der Typus des privatrechtlichen 
Pachtvertrags und eine Reihe von Konsequenzen, welche in dem Wesen dieses 
Geschäftes liegen, auch für die Beurteilung des publizistischen Verhältnisses 
zwischen den beteiligten Mächten nicht zu ignorieren. Der von den europäischen 
Mächten verfolgte kolonisatorische Zweck und die überdies konkurrierenden 
Machtinteressen dieser Mächte drängten nach der Verwertung einer Rechts- 
form, die immerhin als das Mittel der Befriedigung jener Interessen fungieren 
konnte, ohne die Integrität Chinas zu berühren. So ist Kiautschou nicht in 
deutschen Eigenbesitz übergegangen; nach Art. 2 des Vertrages vom 6. März 
1898 überläßt China jene Gebietsteile an Deutschland nur „pachtweise, vor- 
läufig auf 99 Jahre“ und nach Art. 3 „übt die chinesische Regierung während 
der Pachtdauer im verpachteten Gebiete nur die Hoheitsrechte nicht selbst 
aus“; die Eingeborenen sind nicht deutsche Untertanen geworden. Ferner ist 
zu betonen, daß kein Abhängigkeitsverhältnis Chinas gegenüber dem Deutschen 
Reich geschaffen worden ist, da China nur die Ausübung der deutschen Gewalt 
auf chinesischem Boden durch Einräumung einer allgemeinen Vertretungs- 
befugnis gestattet. 1) 
$ 90. Nebenländer. Kolonien.?2) I. Vom Staatsgebiete im Sinne der 
realen Hauptgrundlage eines Staates sind jene Gebietsteile zu unter- 
  
1) Vgl. Rehm, Staatslehre 82. Vgl. auch Jellinek, Deutsche Juristen-Zeitung 1898, 
253 u. 305, wo auf den Zusammenhang obiger Pachtverhältnisse mit der Behandlung der Pacht 
im englischen Privatrecht hingewiesen wird. 
2) Heffter-Geffcken $ 68; v.Holtzendorff, HHIIS. 530, 231,115,116; v. Stengel, 
Die staatsrechtliche und völkerrechtliche Stellung d. d. Kolonien (1886); Derselbe, Annalen 
d. D. Reichs 1887, 309ff., 904ff.; Derselbe, Die deutschen Schutzgebiete — Annalen 
1889, 3. Bearb. 1895; Dorselbe in seinem Wörterbuche d. d. Verwaltungsr. se. v. v. Kolonial- 
gesellschaften* und „Schutzgebiete (Kolonien)*; Lentner, Das internationale Kolonial- 
recht (1886); Joöl, Annalen d. D. Reichs 1887, 191ff.; Laband, Staatsrecht (2. Aufl.) I 
278 ff.; Derselbe, H. S. 186ff.; De Jonge, Kırit. Vierteljahrschrift XXIX S. 278 ff.; 
Bornhak im A. f. öff. R. II 1ff.; Adam, ebenda VI 193 ff.; Heimburger, Der Erwerb 
der Gebietshoheit (1558); G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutz- 
gebiete: v. König, Handbuch d. d. Konsularwesens (4. Aufl.) 200 ff.: Heilborn, Das völker-
	        
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